17. Oktober 2014, 10:09 Uhr | Lesezeit: 14 Minuten
Wer eine Stadt erkundet, möchte nicht nur auf den Trampelpfaden der Touristen wandeln – sondern zum Beispiel auch gern am Abend dort ausgehen, wo sich die hiesige Szene trifft. TRAVELBOOK zeigt die derzeit angesagten Viertel der 15 größten deutschen Städte.
Zugegeben, es ist gewagt. Die coolsten Viertel einer Stadt zu benennen, ist nahezu ein unmögliches Unterfangen. Zum einen, weil die Szene ständig wandert, was das Partyvolk vor allem in Großstädten wie Berlin oder München regelmäßig zur Verzweiflung bringt. Zum anderen, weil es immer auch im Auge des Betrachters liegt, was denn wirklich cool ist – und was nicht. Und nicht zuletzt: Sobald ein vermeintlich angesagter Laden plötzlich in Reiseführern steht, ändert er natürlich nicht nur sein Publikum – von Einheimischen zu Touristen –, sondern oft auch sein Image: von in zu out.
Dennoch wagen wir es. In vielen Städten nämlich hat sich ein klar definiertes Ausgehviertel etabliert, mit Clubs und Kneipen, denen auch ein paar Touris mehr oder weniger nichts anhaben können – und das ständig in Bewegung ist, so dass es immer etwas zu entdecken, vor allem aber: zu erleben gibt. Wo die Situation etwas unübersichtlicher sein sollte, wird es ohnehin erst richtig spannend.
Also: Make-up aufgelegt, die schicken Schuhe umgeschnallt und auf geht’s – in die Szeneviertel der Städte. Wir fangen oben an.
Hamburg
Kaum eine andere deutsche Stadt ist für ihr Nachtleben so berühmt und berüchtigt wie Hamburg. Und natürlich muss sich jeder hier mal am Abend über die Reeperbahn geschoben und St. Pauli erlebt haben. Die Szene indes wird er eher woanders finden. Im Schanzenviertel natürlich, wo sich eine Bar an die nächste reiht und die Auswahl schwer fällt – der Name geht übrigens auf die Sternschanze zurück, eine der Stadtmauer vorgesetzte Verteidigungsanlage. Oder in St. Georg, dem früheren Schmuddelviertel rund um den Hauptbahnhof, das sich gerade zum Szenetreff mausert. Ebenfalls beliebt bei Künstlern und Kreativen: Ottensen und Altona.
Anlaufstellen in der Schanze: Goldfischglas, Mutter, Bar Rossi
Bremen
Bremen macht es dem Fremden einfach. Denn das Ausgehviertel heißt schlicht: „Viertel“ – und das kann sich ja wohl jeder merken. Gemeint ist damit vor allem der Straßenzug Ostertorsteinweg/Vor dem Steintor. Hier befinden sich viele Restaurants und Kneipen, ein Kino, das Kulturzentrum Lagerhaus, die Barmeile „Auf den Höfen“ und das „Bermuda-Dreieck“ – eine Kneipenkumulation zwischen Fehrfeld und Römerstraße. An der angrenzenden Weser findet zudem jedes Jahr das Musik- und Kulturfestival Breminale statt und im Viertel selbst immer Ende August das Viertelfest.
Anlaufstellen: Lagerhaus, Beluga-Bar, Carnaval Bar etc.
Berlin
Ach Berlin, du kriegst so vieles nicht gestemmt, aber eins auf alle Fälle: Dein Ruf als Partystadt ist ungebrochen, vor deinem schier unüberblickbaren Angebot an Bars und Clubs ziehen andere nur ehrfürchtig den Hut. Zum Ruf der Szenemetropole gehört natürlich auch, dass alles ständig in Bewegung ist – und die richtig coolen Locations nur wirklich Eingeweihte kennen. Das macht es so schwer, jetzt Namen zu nennen. Doch einiges kann man festhalten: Ja, das Berghain ist immer noch cool und der Stadtteil, in dem es steht – Friedrichshain – damit irgendwie auch. Ja, Kreuzkölln, das Viertel zwischen Kreuzberg und Neukölln, ist zwar auch schon eine ganze Weile hipp, aber macht immer noch Spaß. Und am Sonntag ist nach wie vor der beste Platz, um seinen Kater auszuführen, der Mauerpark im Prenzlauer Berg. Auch wenn das Open-Air-Karaoke in jedem Reiseführer steht und der Flohmarkt aus allen Nähten platzt: Man muss es einmal erlebt haben.
Anlaufstellen in Friedrichshain: Berghain, Boxhagener Platz, Wühlischstraße
Anlaufstellen in Kreuzkölln: Schlesisches Tor, Kottbusser Tor, Görlitzer Bahnhof, Lido, Markthalle 9, Maybachufer, Landwehrkanal
Anlaufstellen Prenzlauer Berg: Kulturbrauerei, Mauerpark
Hannover
Wenn anderswo in Hannover längst die Bürgersteige hochgeklappt werden, herrscht an der Limmerstraße in Linden noch Hochbetrieb. Von 1885 bis 1920 eigenständige Stadt neben Hannover, ist Linden heute der bunteste und lebendigste Stadtteil der Landeshauptstadt. Dafür sorgt allein schon der Einwohner-Mix: In Linden-Süd zum Beispiel lebt eine große spanische Gemeinde, in Linden-Nord eine große türkische. Neben der City findet sich hier die größte Dichte an Bars, Cafés, Clubs und Theatern, im Sommer vergeht kaum ein Wochenende, an dem nicht irgendein Fest gefeiert wird. Und wem Linden zu klein werden sollte, der zieht einfach weiter in die Nordstadt, wo ebenfalls so einiges los ist.
Anlaufstellen: Theater Glocksee, Limmerstraße, Faust Gelände und in Hannover Nordstadt: Restaurant Spandau Projekt, Club Weidendamm
Essen
Böse Zungen sagen, das Szeneviertel von Essen sei Düsseldorf. Soll heißen: in Essen ist nichts los. Aber das stimmt so nicht. Schließlich gibt es hier den Isenbergplatz und die angrenzenden Straßen, die – zusammengenommen – das kleine Ausgehviertel Essens bilden. Nun verweisen andere, die es auch nicht so gut mit der Stadt meinen, dann gern auf die Provinzialität von Essen, die sich natürlich einmal mehr in einem Vergnügungsviertel manifestiert, das lediglich geschätzte 2000 Quadratmeter misst. So groß ist allein der Wellnessbereich so mancher Hotels. Aber was ist eigentlich so schlimm daran – wird doch hier wie da so einiges unternommen, damit sich die Leute wohl fühlen.
Anlaufstellen: Goldbar, DePrins, 3Mal, Neon Elektrisch
Dortmund
Man nennt es schon das „Montparnasse von Dortmund“: das Viertel rund um die Brückstraße in Dortmund, wo sich Galerien, Cafés und Szenekneipen aneinanderreihen. Vorreiter war die Galerie Anne Voss, die in der Brückstraße 20 unter anderem die Werke des Bildhauerei-Professors Horst Linn ausstellte. Und der wiederum entdeckte als erster die Brückstraße als spannendes künstlerisches Umfeld: Für seine Atelierräume in Dortmund wählte er eine alte Werkstatt hier – und weitere Künstler folgten seinem Vorbild. Am nördlichen Ende der Brückstraße befindet sich übrigens die Schauburg, ein Lichtspiel- und Kunsttheater, das bereits im Jahre 1912 seine Eröffnung feierte. Das frühere Tanzcafé Hösels spielt heute mit Reggae, Hiphop, Funk und Disco auf und nennt sich „Oma Doris”.
Anlaufpunkte: Galerie Anne Voss, Oma Doris, Schauburg
Duisburg
Der Pott kocht, und das schon eine ganze Weile. Als sich die frühere Braunkohleregion wandeln musste, weil es so wie bisher nicht weitgehen konnte, machte sie das beste, was sie tun konnte: Sie öffnete ihre weitläufige Industriearchitektur für Künstler, Konzerte, Clubs und Theater. Manchmal entstanden auf diese Art und Weise ganz neue Stadtviertel, die plötzlich ins Zentrum rückten – durch ihre neue Funktion als Ausgeh- und Kulturviertel der Stadt. So etwa geschehen beim Innenhafen Duisburg. 1883 wurde er angelegt und bald „Kornkammer des Reviers“ genannt, oder: „Brotkorb des Ruhrgebiets“, weil zahlreiche Getreidesilos und Mühlenbetriebe hier standen. Doch Mitte des 20. Jahrhunderts verlor der Hafen an Bedeutung, 1990 wurde er umgeplant: von keinem geringeren als Sir Norman Foster aus London. Heute erwarten gleich mehrere Museen den Besucher am Tag und zahlreiche Bars und Kneipen am Abend.
Anlaufstellen: Küppersmühle, Museum Küppermühle für Moderne Kunst, das Kultur- und Stadthistorische Museum Duisburg
Düsseldorf
So freigiebig wie Düsseldorf seine Prachtstraße, die Kö, herzeigt, so gut versteckt es seine Szeneviertel. Denn diese liegen jenseits des Rings, der manchen Besucher Glauben macht, dahinter komme nichts mehr. Weit gefehlt: Da kommt nämlich noch so allerhand. Östlich des Innenstadtrings im Düsseldorfer Verwaltungsbezirk 2 etwa Flingern-Nord, auch „Prenzlauer Berg“ Düsseldorfs genannt. Das ehemalige Arbeiterwohnquartier ist bekannt für seine schönen Altbauwohnungen und Hinterhöfe sowie sein breites Angebot an Restaurants, Kneipen, Galerien und Künstler-Ateliers. Oder der Stadtteil mit dem schönen Namen Pempelfort, wo sich auf dem Areal des früheren Bahnhofsgeländes und seiner Nachbarstraßen eine Reihe guter Cafés und Restaurants etablierten.
Anlaufstellen: Trinkhalle, Cafe Hüftgold, Alte Metzgerei
Leipzig
Als „das bessere Berlin” wird Leipzig in der internationalen Presse immer wieder besungen – und man mag von dem so genannten „Hypezig“ halten, was man mag (die Leipziger nehmen es übrigens gewohnt gelassen), aber einen großen Vorteil hat die hiesige Partyszene gegenüber der Berliner auf jeden Fall: Sie ist sehr viel übersichtlicher. Wer nichts falsch machen will, geht abends auf die „Karli“, die Karl-Liebknecht-Straße, die geradewegs durch die Südvorstadt führt, Leipzigs klassischstem Szeneviertel. Diese einfach hinunterschlendern, die Löffelfamilie der Feinkost passieren, der naTo – Grand-Dame im Leipziger Partyleben – die Ehre erweisen und sich dann, vermutlich mit diversen Zwischenstopps, an diversen Bars und Kneipen vorbeischieben, bis man in die Arndstraße einbiegen kann, und bei Horns Erben versacken.
Anlaufpunkte: naTo, Horns Erben, Hotel Seeblick
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Köln
Es ist ein Dorf in der Großstadt – und gerade das macht den Reiz des Belgischen Viertels aus – jenem Karrée zwischen Venloer und Aachener, Ring und Innerer Kanalstraße, wo sich Ateliers und Boutiquen, Bars und Kneipen aneinanderreihen. Man kennt sich, grüßt sich, bleibt stehen auf einen Schwatz. Doch anders als in einem gewöhnlichen Dorf ist hier am frühen Abend nicht Schicht im Schacht, dann geht es hier erst richtig los. Das Belgische Viertel ist eins der wichtigsten Ausgehviertel von Köln. Wer mehr Durchmischung wünscht, geht zum Feiern nach Mühlheim, wer es lieber etwas alternativer mag, nach Ehrenfeld.
Anlaufstellen: Brüsseler Platz, Stadtgarten, Bars wie Subway, in Ehrenfeld: Underground, Sonic Ballroom
Dresden
In Dresden ist der Fall ziemlich eindeutig. Die Äußere Neustadt ist und bleibt das Szeneviertel der Stadt: mit mehr als hundert Kneipen, diversen Kleinkunstbühnen, Ateliers und Shops – und einer Altbausubstanz zum Niederknien. Doch fast wäre sie verschwunden: Nach 1970 setzte aufgrund der einseitigen Baupolitik der DDR zugunsten von Plattensiedlungen der Verfall ganzer Straßenzüge ein. Bereits Ende der 1980er-Jahre regte sich der Widerstand dagegen, nach der Wiedervereinigung, 1991, wurde die Äußere Neustadt zum Sanierungsgebiet erklärt. Heute ist sie eines der größten geschlossenen Gründerzeitviertel in Deutschland, manche Quellen sprechen gar vom größten seiner Art.
Anlaufpunkte: die Scheune, Orpheum, Galerien auf der Kamenzer Straße
Frankfurt am Main
Das Bahnhofsviertel von Frankfurt am Main lehrte einst den Passanten wahlweise das Fürchten – oder das schnelle Vergnügen. Dafür sorgten Dealer und Banden, Nutten und Drogen. Doch seit einiger Zeit fühlen sich vor allem Künstler und Kreative von dieser Mischung magisch angezogen. Immer mehr Clubs, Kneipen, Bars und Restaurants eröffnen hier und ziehen die Szene an. Besonders beliebt übrigens ist das Plank, eine Bar, die tagsüber auch ein Café ist und von Ata, einem Frankfurter Urgestein, betrieben wird. Im Pik Dame tanzt man in einer sehr verpielten, ehemaligen Table-Dance-Bar. Und viel los ist auch immer in der San Tropez Bar – einer waschechten Eintracht-Frankfurt-Fan-Kneipe. Absturz garantiert!
Anlaufpunkte: Plank, Pik Dame, San Tropez Bar, Bar ohne Namen
Nürnberg
In Nürnberg scheut man keinen Vergleich mit der ganz großen Metropole. GoHo heißt hier das, was in New York mal SoHo war: ein Künstler- und Szeneviertel, hipp, schick, angesagt. Dabei war GoHo – im wahren Leben: Gostenhof – vor wenigen Jahren noch eher die Bronx von Nürnberg, Glasscherbenviertel (oder Glosschermverdel, wie man hier sagt) wurde das Viertel auch genannt. Denn weil die Bausubstanz kaum attraktiv war und es an Grünflächen fehlte, zogen nach dem Krieg vorwiegend sozial schwächere und ausländische Familien her. 1997 setzte sich die Bevölkerung des Viertels aus über 40 Nationen zusammen. Es gab viel Armut, viel Kriminalität und wenig Perspektiven. Doch dann wurde saniert. Zudem machten seit den 1980ern immer mehr Kneipen auf und Künstlerwerkstätten. In den Hinterhöfen wurden Flohmärkte veranstaltet und alle zwei Jahre öffnen Künstler während der Gostenhofer Werkstatt- und Ateliertagen den Besuchern ihre Arbeitsstätten.
Anlaufstellen: Das Willich, Balazzo Brozzi, Palais Schaumburg, Wohnzimmer 2.0
Stuttgart
Wer hier was erleben will, geht auf die „Theo“, wie die Stuttgarter ihre Theodor-Heuss-Straße liebevoll nennen. Entworfen wurde sie in der kriegszerstörten Stadt nach dem Vorbild des Berliner Kurfürstendamms, also als Prachtstraße mit viel Flaniermöglichkeit – und sehr viel Platz für große Autos, schließlich wurden diese in Stuttgart und Umgebung ja auch gebaut. Doch man hatte sich verplant, das prognostizierte Verkehrsaufkommen kam einfach nicht auf – und 2002 wurde die Theodor-Heuss-Straße auf zwei Spuren zurückgebaut. Dabei wurden auch gleich die Gehsteige verbreitert und Radwege angelegt – und somit die Voraussetzung geschaffen für einen Neustart der Theo als Partymeile. Zahlreiche Clubs und Kneipen haben sich auch um den Hans-im-Glück-Brunnen angesiedelt – und begründen damit Stuttgarts zweites Ausgehviertel, welches im Gegensatz zur Theo auch näher an der Altstadt dran ist.
Anlaufpunkte: auf der Theo: Friedrichsbau Variete, Palast der Republik, 7 Grad, um den Hans-im-Glück-Brunnen: Bergamo, Transit und Mata Hari
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München
Dass die Münchener feiern können, beweisen sie jedes Jahr aufs Neue während der Wiesnzeit. Auch das restliche Jahr über herrscht in der bayerischen Hauptstadt keineswegs tote Hose. Im hippen Glockenbachviertel beginnt der Abend in einer der zahlreichen Kneipen und Bars. Und was trinkt man da? Gin natürlich. Es gibt Bars, die neben dem Münchner Original („The Duke“) 100 weitere Sorten auf der Karte haben. Im Sommer treffen sich die Münchner auch gern auf ein Bier beim Gärtnerplatz. Anschließend geht es in die umliegenden Clubs wie das YipYap oder das Kong. Der Absacker muss im Pimpernel getrunken werden – ein ehemaliges Bordell und echte Münchner Institution mit den längsten Öffnungszeiten der Stadt.
Anlaufpunkte: Gärtnerplatz, Couch-Club, Konsulat