1. März 2018, 7:27 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Litauens Hauptstadt Vilnius mag auf den ersten Blick klein und übersichtlich erscheinen, hat aber so einiges zu bieten: moderne und barocke Architektur, gute Cocktails, tolle Buch- und Plattenläden – und den besten Burger der Welt. Welche Orte man in Vilnius besucht haben sollte, verrät TRAVELBOOK-Autorin Annette Schimanski.
Zum Teil überraschend gutes Essen, eine bewegende Geschichte, Künstler und Kreative – und sogar ein Schrägaufzug. Vilnius hat eine Menge zu bieten, was viele gar nicht vermuten. Ein Besuch lohnt sich unbedingt! Das war nicht immer so…
Die Vergangenheit Litauens ist geprägt von turbulenten Phasen. Zunächst unter russischer Herrschaft erklärte Litauen 1918 seine Unabhängigkeit. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde der Staat in die Sowjetunion eingegliedert. Erst im Jahr 1990 erhielt Litauen den souveränen Status zurück. Seitdem wird Litauen oft in einem Zug mit dem direkten Nachbarn Lettland und Estland erwähnt. Die drei Länder weisen viele Gemeinsamkeiten auf, weil sie so lange nebeneinander und gemeinsam unter russischer Herrschaft existierten. Genau das ist aber auch der Grund, weshalb die Bewohner von Litauen, Lettland und Estland heutzutage den Stolz für ihre Länder und die Unterschiede zwischen den baltischen Staaten nach außen tragen und besonders hervorheben.
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Das lettische Riga hat zwar die meisten Einwohner im baltischen Raum, aber Vilnius, die Hauptstadt Litauens, ist die flächenmäßig die größte baltische Stadt. Im Litauischen heißt die Stadt „Wilna“, sie wurde nach dem kleinen Fluss Vilnia benannt. Auf den ersten Blick wirkt Vilnius klein, gemütlich und übersichtlich. Das Flughafengebäude erinnert an einen Bau aus dem frühen 20. Jahrhundert, die Häuser in der Innenstadt reihen sich eng aneinander und weisen bunte, verzierte Fassaden auf.
Nur im Sommer schön? Von wegen!
Die empfohlene Reisezeit für Vilnius ist zwischen Mai und September, die Sommer in Litauen sind angenehm, im Juli liegt die Durchschnittstemperatur bei 20 Grad. Aber das sind ja nur „Empfehlungen“ – denn wer die Winter- und Weihnachtszeit besonders liebt, wird sich im Dezember in Vilnius sehr wohl fühlen. Die Stadt versinkt in Schnee, überall glänzen Lichter und hübsch geschmückte Weihnachtsbäume und auf dem weitläufigen Platz vor der St. Stanislaus-Kathedrale kann man einen kleinen, sehr schönen Weihnachtsmarkt mit lokalen Köstlichkeiten und Produkten besuchen. Der Platz neben der katholischen Kirche, die im klassizistischen Stil errichtet wurde und eher an ein Kunstmuseum erinnert, ist mit einem Denkmal dem Großfürsten Gediminas, der Vilnius gegründet hat, gewidmet.
Auf und ab mit dem Schrägaufzug
Großfürst Gediminas nimmt ohnehin eine wichtige und zentrale Rolle in der Stadt ein. Neben der Kathedrale und dem Denkmal erhebt sich ein Berg, auf dem ein Ziegelturm thront. Diese Burg ist das Wahrzeichen von Vilnius und wurde im 14. Jahrhundert von Gediminas erbaut, nachdem er laut Legende in einem Traum die Anweisung bekommen habe, in der hügeligen Landschaft die größte Stadt Litauens, also die Hauptstadt, entstehen zu lassen. Man kann den Burgberg zu Fuß oder mit einem Schrägaufzug erklimmen und hat von dort einen wunderbaren Blick auf ganz Vilnius. Von hier aus entdeckt man erst die Vielfalt, die die Stadt zu bieten hat. Südlich des Flusses Neris, der Vilnius teilt, liegt der historische, mittelalterliche, aber auch vom Barock geprägte Teil der Stadt. Im Norden gibt’s moderne Bauten, Industrie- und Gewerbegebiete und sogar Gebäude, die man als Hochhäuser bezeichnen könnte.
Wer noch weiter in die Höhe hinaus möchte, sollte zum von der Burg sieben Kilometer entfernten Fernsehturm im westlichen Ende der Stadt fahren. Es lohnt sich, die Strecke mit einem ein Taxi zurückzulegen – viele bekannte Taxi-Apps funktionieren auch in Vilnius –, denn das geht schnell und ist erstaunlich günstig. Seit 2004 ist Litauen Mitglied der Europäischen Union, 2015 wurde der Euro als Währung eingeführt. Das Preisniveau liegt aber weit unter dem deutschen Standard. So wird eine Taxifahrt nicht sonderlich teuer und der Eintritt zum Fernsehturm kostet je nach Wochentag zwischen sieben und neun Euro für Erwachsene.
Die Küche ist so vielseitig wie die Stadt selbst
Wer sich durch die litauische Küche probieren möchte, gerät gerne mal in eine abwechslungsreiche kulinarische Entdeckungsreise. Denn das Essen in Litauen ähnelt den Speisen, die in den umliegenden Ländern angeboten werden, aber die Einwohner werden stets betonen, dass ihre Küche einzigartige Züge hat. Die Nationalspeisen bestehen aus Fleischsorten wie das vom Schwein, Rind und vom Wild. Dazu kommen Milchprodukte und eine Reihe an Obst- und Gemüsesorten, die vor Ort angebaut werden. Zu den beliebtesten Gerichten gehören „Zeppelinas“, die auf der Speisekarte gerne mit „Fleischzeppelin“ übersetzt werden. Es handelt sich dabei um Kartoffelklöse, die an Knödel erinnern, mit einer Fleisch- und Räucherspeckfüllung, die mit Schmand, einer Pilzsauce oder russischer Rote-Beete-Suppe „Bortsch“ gereicht werden. Am besten man probiert das Gericht in einer der rustikalen Bars, ähnlich der britischen Pubs, mit einer der vielen Biersorten, die das Land zu bieten hat. Die litauische Küche ist definitiv deftig und Veganer und Vegetarier werden nicht unbedingt glücklich werden.
Dafür gibt es aber auch die andere Seite der Stadt. Zwischen entzückend bunten Kirchen und barocken Schnörkeln tut sich nämlich was: in Anlehnung an die Stadtteile Kreuzberg und Friedrichshain in Berlin oder Greenwich Village und Tribeca in New York entstehen kleine, schön gestaltete Läden. Bars, Restaurants, Kunstgeschäfte, die vor allem junge Leute und Kreative anlocken. Es gibt Platten, Bücher und liebevoll gefertigte Schreibwaren zu kaufen. Dazu klassische oder verschiedene Craft-Biere und vor allem gibt es kulinarische Kreationen, in denen sich internationale Einflüsse mit der lokalen Küche vermengen.
Der beste Burger der Welt
Das „Le Butcher“ ist zum Beispiel ein solcher Laden. Das kleine Restaurant ist funktional und trotzdem schick eingerichtet, fällt dabei aber nicht aus dem Rahmen der litauischen Tradition. Das wahre Highlight sind aber die Burger: klassische Kombinationen mit besten Zutaten und so saftig und schmackhaft, da können sich einige Restaurants im Heimatland des Burgers, USA, etwas abschauen. Die Auswahl der Biere ist übersichtlich, aber qualitativ hochwertig. Wer bisher dachte den besten Burger gibt es in den Metropolen der Welt, hat wohl nicht mit Vilnius gerechnet.
Auf ähnlich hohem Niveau werden die Drinks in den Bars zubereitet, die sich in den Straßen der Innenstadt nahe des „Le Butcher“ befinden. In der „Bar Bukowski“ gibt es eine gute Auswahl an Gins, Whiskeys und Bieren zu erschwinglichen Preisen. Die Einrichtung und die Karte ist eine Hommage an den Schriftsteller Charles Bukowski. Die Cocktails sind zum Glück nicht so wahllos zusammengewürfelt wie die alkoholischen Präferenzen des Autoren, der bekanntlich so gut wie alles in sich hineinkippte. Und auf der begrünten Terrasse lassen es sich vor allem im Sommer sehr gut Drinks genießen.
Wem das immer noch nicht genug Genuß ist, kann sich all den Naschereien widmen, die die litauische Küche zu bieten hat. Es gibt Pfannkuchen mit allerlei süßen Zutaten und wer die Überzuckerung nicht fürchtet, hat die Möglichkeit, das Pancake-Haus „Gusto Blyninė“ zu besuchen, das leichte, fluffige Pancakes mit allen erdenkliche Toppings, von süß und fruchtig bis hin zu herzhaft, anbietet.
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Užupis – die Republik der Kreativen
Im Osten der Stadt, getrennt vom Rest durch den Fluss Vilnia, liegt der Stadtteil Užupis, der nicht nur zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, sondern laut Romas Lileikis and Thomas Chepaitissogar eine eigene Republik ist. Am 1. April 1997 haben die beiden Männer dort ihren eigenen Staat ausgerufen – mit Verfassung, Flagge, Währung und Präsident. Anerkannt ist der Staat aber nicht. In Užupis gibt es keine von der Regierung erbauten Shoppingcenter oder Einrichtungen, es gilt als Künstlerhochburg.
Užupis bedeutet so viel wie „auf der anderen Seite des Flusses“. Gemeint ist der Fluss Vilnia. Entlang der Straßen sind informelle Bauten errichtet, an den Wänden der Häuser Graffitis zu sehen, im Sommer ziehen junge Maler, Schriftsteller und Filmemacher durch die Straßen, um sich über Gott und die Welt auszutauschen. Užupis wird häufig mit dem Pariser Künstlerviertel Montmartre verglichen. Ähnlich wie dort erhebt sich auch Užupis auf einem Hügel über der restlichen Stadt.
Das Viertel hat eine düstere Vergangenheit. In diesem Teil von Vilnius lebten einst Juden, die fast alle im Zweiten Weltkrieg dem Nationalsozialismus zum Opfer fielen. Der danach errichtete jüdische Friedhof wurde während der Sowjetunion zerstört. Bis Litauens Unabhängigkeit im Jahr 1990 war Užupis ein verfallener und vor allem vernachlässigter Teil von Vilnius. Die heruntergekommenen Häuser wurden vorwiegend von Obdachlosen bewohnt. Inzwischen wurde Užupis von Künstlern und Kreativen übernommen.