23. November 2022, 11:43 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Venedig ist dank des Hochwasserschutz-Systems „Mose“ einer Überflutung entgangen. Die Wassermassen hatten in der Umgebung der Lagunenstadt einen Höchststand erreicht – doch durch die Flutschutztore konnte der Pegel im Inneren der Lagune niedrig genug gehalten werden. Was hinter dem Hochwasserschutz-System steckt und warum Venedig laut Forschern dennoch bald im Meer versinken könnte.
Die Erleichterung in der Lagunenstadt ist groß. Das Hochwasserschutz-System „Mose“ (kurz für: „modulo sperimentale elettromeccanico“; zu Deutsch: „elektromechanisches Versuchsmodul”) hat Venedig vor einem Hochwasser bewahrt, das laut einem Bericht der italienischen Zeitung „Corriere del Veneto“ wohl ähnlich so verheerend gewesen wäre wie das im November 2019. Damals kam es zu den schlimmsten Überschwemmungen seit mehr als 50 Jahren. Die Stadt erlitt schwere Schäden (TRAVELBOOK berichtete).
Dank der insgesamt 78 Flutschutztore, mit denen die Lagune vom Meer abgetrennt wurde, blieb der Wasserstand dem Bericht zufolge stabil bei 60 bis 65 Zentimetern, sodass Venedig trocken blieb. Der Markusplatz werde bereits bei 80 Zentimetern überflutet, ohne „Mose“ hätte das Wasser dort also einen Meter hoch gestanden.
Zuletzt hatten im Dezember 2020 schwere Unwetter mit Starkregen in Venedig für heftige Überschwemmungen gesorgt. In diesem Fall konnte die damals gerade einmal zwei Monate zuvor in Betrieb genommene Hochwasserschutz-Anlage „Mose“ die Überflutung der Altstadt von Venedig nicht verhindern. Denn der Schutzwall brauchte damals noch einen Vorlauf von 48 Stunden, der in diesem Fall nicht gegeben war. Das Hochwasser stieg auf dem Markusplatz auf 1,37 Meter über dem Meeresspiegel. Es drang sogar in den Markusdom ein. Inzwischen hat sich die Vorlaufzeit auf etwa eine Stunde verkürzt, sodass beim aktuellen Hochwasser die Überflutung Venedigs verhindert werden konnte.
Das Hochwasserschutz-System „Mose“ in Venedig
„Mose“ besteht aus 78 beweglichen Stahl-Barrieren, die an den drei Zugängen zur Lagune errichtet wurden. Jeder Kasten ist rund 250 Tonnen schwer, 20 Meter breit, 30 Meter hoch und bis zu fünf Meter tief. Hunderte Mitarbeiter waren am Aufbau beteiligt. Die Barrieren liegen normalerweise mit Wasser gefüllt am Meeresboden. Bei Inbetriebnahme wird das Wasser mittels Pressluft herausbefördert. Ein Kasten nach dem anderen richtet sich dann auf, sodass sie gemeinsam eine Barriere bilden.
Der Bau der Schutzanlage begann bereits 2003 und sollte bis 2011 vollendet sein – die geplanten Kosten: rund 1,8 Milliarden Euro. Die tatsächliche Inbetriebnahme erfolgte erst im Jahr 2020 und die Kosten beliefen sich auf rund sechs Milliarden Euro. Wegen zahlreicher Verzögerungen, Korruptionsskandalen und viel höheren Kosten als geplant, geriet das Bauprojekt in Verruf. Umweltschützer sehen „Mose“ außerdem kritisch, da sie befürchten, dass es das fragile Ökosystem der venezianischen Lagune stören könnte.
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Forscher warnen vor weiterem Meeresanstieg
Venedig kämpft immer wieder mit Hochwasser. Bereits 2021 warnten Klima- und Meeresforscher für die Lagunenstadt vor einem Anstieg des Meeresspiegels um mehr als einen Meter in den nächsten Jahrzehnten. Der Klimawandel müsse bis zum Jahr 2100 entscheidend gebremst werden. Sonst sei ein Anstieg um bis zu 120 Zentimeter möglich, hieß es. Als Extremszenario haben die Forscher sogar einen Anstieg von rund 170 Zentimetern berechnet.
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Das geht aus Analysen hervor, die das Fachmagazin „Natural Hazards and Earth System Science“ veröffentlicht hat. An dem Projekt beteiligt waren Universitäten aus Venedig und Lecce in Apulien sowie das italienische Institut für Meeresforschung (Ismar). Die Wissenschaftler mahnen, dass der steigende Meeresspiegel in Folge des Klimawandels bei der Stadtplanung in Venedig und auch anderen
Küstenorten dringend einkalkuliert werden muss.