18. November 2022, 17:11 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Jedes Jahr kürt die EU die Kulturhauptstadt Europas. Wobei der Begriff „Stadt“ dieses Mal nicht wirklich passt: 2023 steht nämlich mit dem Balaton sogar eine ganze Region im Westen Ungarns im Fokus.
Veszprém am Balaton (zu Deutsch: Plattensee) in Ungarn lockt mit Kirchen, Museen, einem Burgviertel, provinziellem Charme und darf sich offiziell Kulturhauptstadt 2023 nennen. Kulturmanager Can Togay ist schon jetzt voller Vorfreude darauf, im nächsten Jahr Gäste aus aller Welt quasi vor dem eigenen Wohnzimmer zu begrüßen. „Ich teile gerne das Erlebnis und die Liebe zur Region“, sagt der Ungar, der einst als Schauspieler mit Stars wie Isabelle Huppert vor der Kamera stand und als Professor für Filmstoffentwicklung an der Filmuniversität von Babelsberg lehrte. Heute ist er künstlerisch-kreativer Chefberater des ungarischen Kulturhauptstadt-Projekts, mit dem die Europäische Union 2023 ausnahmsweise wieder einmal eine Region adelt: die Stadt Veszprém und dazu das weitläufige Gebiet um den Balaton, der vielen Sommerurlaubern ein Begriff sein dürfte.
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Übersicht
Kulturhauptstadt 2023: Charme der Provinz in Veszprém
Veszprém dagegen, eine 60.000-Einwohner-Stadt, ist ein weißer Fleck auf der Besucherlandkarte und wohl vor allem Sportinteressierten ein Begriff. Der örtliche Handballclub ist nämlich auf europäischem Spitzenniveau und in Ungarn vielfacher Meister und Pokalsieger. Sonst aber dominiert hier der Charme der Provinz.
Im Burgviertel sucht man eine klassische Burg vergeblich. Blumenkübel stehen vor Fassaden in Gelb und Rosa. Ein Aussichtspunkt gibt den Blick frei auf die Höhenzüge des Bakonygebirges. Stopps beim Stadtbummel sind die Basilika St. Michael, die Dreifaltigkeitssäule, der alte Feuerturm und ein Bronzebildnis, auf dem Michael den Teufel besiegt. Wie viele Städte zuvor hofft Veszprém durch den Titel der EU auf einen Aufschwung: Seit der Bekanntgabe der Kulturhauptstadtregion laufen Initiativen gegen den Leerstand in der City, neue Lokale und Weinbars entstanden.
Der Balaton: Ein See wie ein Binnenmeer
Zehn Kilometer südlich von Veszprém – eine kurze Fahrt durch Hügel und Mischwald – liegt der Balaton. Das Gewässer ist größer als der Bodensee. Steht man an seinem Ufer, fühlt man sich wie an einem Binnenmeer. „Alle Ungarn haben einen innigen Bezug zum Balaton, auch ich selbst“, sagt Kulturmanager Togay.
Er erinnert an die historische Kultur des Badens, der Villen und der Dampfschiffe. Und daran, dass sich hier „Ost und West in der Zeit des Kalten Krieges ein Stelldichein“ gaben. Da der Balaton relativ flach ist und von einem Mikroklima profitiert, erwärmt er sich im Sommer leicht. Unter den Badegästen sind vor allem die Südufer beliebt.
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Weinanbau am Balaton
In der Gegend um den Plattensee hat der Weinanbau Tradition: Er reicht bis in die Römerzeit zurück. Basaltböden verleihen dem Wein ein mineralisches Aroma, allen voran der Weißweinsorte Kéknyelü, die internationale Vergleiche nicht zu scheuen braucht. Gleiches gilt für den regionalen Sekt, der aus Furmint-Trauben gewonnen wird.
Das „frische Gefühl des Schaumweins“ passt zum Lifestyle um den Balaton, sagt Agraringenieur Bence Laposa, der den Weinbaubetrieb auf dem Gut seiner Familie leitet. „Sekt liegt im Trend, aber es dauert noch ein paar Jahre, bis das richtig ankommt.“ Laute Töne und knallharte Werbeoffensiven entsprechen eher nicht seinem Wesen. So erwähnt Laposa nur leise, dass er die ungarischen Tropfen, vor allem die Weißweine, für unterschätzt hält. Er sagt: „Rhein, Wachau, Toskana: Unsere Weine halten da mit.“ Bence Laposa selber trinkt am liebsten einen fruchtigen Welschriesling. Kulinarische Begleiter zum Wein sind hier in den Restaurants Zander, Entenleber, Sauerkrautsuppe, Gulasch und der Schinken vom Wollschwein (Mangalica), der butterweich auf der Zunge zergeht.
Barockschloss und Heilschlamm zum Mitnehmen
Am Nordufer, in Keszthely am nordwestlichen Rand des Sees, findet man beim Barockschloss Festetics einen sorgsam gepflegten Park. Ein Höhepunkt im Schloss ist die gut 200 Jahre alte, üppig ausgestattete Bibliothek mit mehr als 90.000 Bänden. Separat führt ein Zugang in ein Kutschenmuseum.
Gleich hinter Keszthely ist in der Kleinstadt Héviz ganzjährig Badesaison. Hier gibt es nämlich einen Thermalsee, dessen Wasser sich auf natürliche Weise mehrfach täglich austauscht. Der Heilschlamm wird auch zum Mitnehmen verkauft, in, kein Scherz, Fünf-Kilo-Eimern.
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Programm des Kulturhauptstadtjahres
Geht es nach den Organisatoren, sollen bis zu 2,5 Millionen Besucherinnen und Besucher während des Kulturhauptstadtjahres in die Region kommen. Die Eröffnungsfeier in Veszprém ist am Wochenende vom 21. und 22. Januar geplant. Richtig los geht es dann im Frühjahr und Sommer 2023. Alle Informationen zum Programm finden sich auf der offiziellen Website.
Mit Material von dpa