29. November 2019, 7:12 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Reisen mit zu hohen Erwartungen im Gepäck können eigentlich nur schiefgehen. Diese Erfahrung machte auch TRAVELBOOK-Redakteurin Odett Schumann. Sie berichtet von ihrer ersten Reise nach Budapest – und warum sie da so schnell nicht wieder hin möchte.
Nur selten habe ich vor einer Reise so viel Gutes über einen Ort gehört, wie es bei Budapest der Fall war. Der Blick über die Stadt sei sehenswert. Die imposante Architektur des Parlaments würde mich beeindrucken. Und bei einem Besuch in einer der Thermalanlagen könne ich herrlich entspannen. Aber, um ehrlich zu sein, all die Konjunktive hätte es gar nicht gebraucht, mein Entschluss stand ohnehin fest. Denn schon zu lang stand Budapest auf meiner Travel-to-do-Liste. So viele nahezu identisch klingende Empfehlungen können sich nicht irren und darauf vertraute ich. Rückblickend war das Fehler Nummer 1.
Wetter – eine höhere Gewalt
Gemeinsam mit einer Freundin machte ich mich also im Juli 2019 für fünf Tage auf in die Hauptstadt Ungarns – mit reichlich Euphorie im Gepäck. Da unsere Airbnb-Unterkunft praktischerweise sehr zentral im jüdischen Viertel lag, ging es gleich am ersten Tag zu Fuß quer durch die Stadt über die Kettenbrücke Richtung Fischerbastei. Oben angekommen fanden wir erwartungsgemäß ein großes Touri-Aufgebot vor. Das konnte die schöne Aussicht jedoch nicht trüben – das mausgraue Wetter hingegen schon. Von dem angeblich so atemberaubenden Blick auf die Stadt hatten wir nichts. Sehr enttäuschend.
Eigentlich war ein Gang auf den Gellertberg geplant, aber bei Nieselregen ahnten wir, dass vor allem unsere Motivation auf der Hälfte der Strecke schlapp machen würde. Stattdessen stapften wir also etwas ernüchtert über das Areal des Burgpalasts. Ohne Schirm waren wir permanent auf der Suche nach einem trockenen Unterschlupf. Der erste Tag hatte also einige Startschwierigkeiten, Tag zwei konnte eigentlich nur besser werden.
Eine Seefahrt, die nicht wirklich lustig ist
Auch wenn es nur wenig gibt, was weniger typisch touristisch ist, stand für den nächsten Tag eine Schifffahrt auf dem Plan. Von der Donau aus das Parlament zu sehen wurde sowohl von Freunden als auch in sämtlichen Blogs und Foren als ein Highlight in Budapest empfohlen. Also rauf aufs Schiff und rein in die nächste Misere. Noch vor Antritt der Fahrt wurde unsere Begeisterung ein wenig gedämpft. Von allen Seiten hörte man nur Gespräche auf Deutsch und es kam eher ein Gefühl auf, man würde über die Berliner Spree schippern als gerade in Ungarn zu sein.
Nun ja, wir verbuchten das unter Zufall. Also Leinen los oder eher: Band ab. Denn leider lief die gesamte Tour nur eine Tonband-Ansage, die noch dazu ständig komplett falsche „Einsätze“ hatte. In aller Regel erzählte die Dame vom Band von einer Sehenswürdigkeit, von der wir bereits mindestens 50 Meter entfernt waren. Um also die „aktuelle“ Attraktion zu sehen, war ständiges Verdrehen nach hinten notwendig. Zwischendrin störten außerdem immer wieder große Hotelkomplexe das eigentliche schöne Bild der Donau-Promenade.
Und eine Reise, die keine Fahrt aufnehmen will
Der dritte Tag stand an und eine gewisse Begeisterung für Budapest kam einfach nicht auf. Dieses Mal wollten wir mit City-Bikes durch die Stadt radeln und anschließend in eines der Thermalbäder gehen. Gesagt, gefahren! Und zwar rein in eine klassische Touristenfalle. Das Ausleihen der Räder per Smartphone war ein langwieriges, nicht ganz komplikationsfreies Prozedere, aber der Preis lockte uns – na klar! Das Treten in die Pedale fiel dabei trotz 0 Prozent Steigung und wenigstens 50 Prozent vorhandener Fitness erstaunlich schwer.
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Etwa zwei Stunden lang mühten wir uns durch die Straßen und Parks Budapests, dann verfluchten wir den Anbieter für diese nicht mal mittelklassigen Bikes und beendeten die Leihgabe völlig entnervt. Im Nachhinein kann man sagen: zum Glück! Denn bei der Rückgabe flog uns ein horrender Preis um die Ohren. Bei all dem Freischaltungs-Wirrwarr zu Beginn, hatten wir – natürlich – das äußerst Kleingedruckte überlesen.
Ungewollt zur Influencerin
Nach diesem Desaster und einer miesen Google-Bewertung später schafften wir es dennoch ins Gellért-Bad. Auch wenn ich es mir nur schwer vorstellen konnte, wie man sich bei sommerlichen 25 Grad freiwillig in gefühlt mindestens doppelt so warmes Wasser begeben kann. Aber es hieß, es sei gut für die Gesundheit. Die lieb gemeinte Selbstfürsorge reichte in diesem Fall jedoch nicht aus, um das Erlebnis genießen zu können.
Kaum hatte ich mich entspannt in das Thermalbecken sinken lassen, merkte ich, wie sich von der Seite ein Smartphone Selfie um Selfie in mein Sichtfeld schob. Eine Influencerin machte gerade ihren ganz eigenen „Reisebericht“. Und ich verfluchte die wasserdichte, moderne Technologie, die zuhauf in diesem Becken war. Also raus aus dem ohnehin viel zu heißen Wasser und Erholung im Freien suchen. Doch Fehlanzeige, wir hatten keinerlei Chance auf einen klassischen Liege- oder wenigstens Sitzplatz. Es blieb nichts anderes übrig als sich mit unseren Handtüchern auf den unbequemen Steinboden zu legen. So kam es, dass wir statt nach vier Stunden das Thermalbad bereits nach zwei Stunden wieder verließen.
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An unseren letzten beiden Tagen hatten wir kaum mehr Freude daran, Budapest zu entdecken, das Schöne – von dem alle sprachen – überhaupt noch zu finden. Vor allem aber hatten wir das Gefühl, dass wir schon alles „Wichtige“ gesehen hatten und zwar mehrfach. Die erwartete Begeisterung mit WOW-Effekt ist ausgeblieben. Noch vor Beginn der Reise war ich felsenfest davon überzeugt gewesen, dass Budapest eine meiner neuen Lieblingsstädte werden würde. Ein Ort, an den ich trotz meiner Niemals-zweimal-an-einen-Ort-Regel noch mehrmals sehen würde. Ich hatte das starke Gefühl, dass Budapest etwas Besonderes sein musste und nicht so hoffnungslos überlaufen wie viele andere (europäische) Hauptstädte. Vielleicht hatten wir einfach Pech und vielleicht sollte ich deswegen auch meine eigentlich eiserne Regel ausnahmsweise (irgendwann) einmal brechen…