24. März 2017, 12:44 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Alle Welt fährt nach Budapest, Krakau und Prag. Dabei gibt es zahlreiche Städte in Osteuropa, die noch nicht so überlaufen sind und mindestens genauso viel zu bieten haben. Waren Sie zum Beispiel schon mal in Lemberg? Ein Besuch in der wohl schönsten und buntesten Stadt der Westukraine.
Osteuropa-Reisen liegen im Trend. Warschau, Belgrad & Co. locken mit unkonventioneller Partyszene, leckerem Essen und wunderschöner Architektur. Das alles für wenig Geld und ohne weite Anreise. Nur in die Ukraine will – mit Ausnahme einiger Tschernobyl-Touristen – keiner mehr.
Die Annexion der Krim durch Russland und der anhaltende Konflikt im Osten des Landes verunsichern viele Touristen. Die betroffenen Gebiete und die angrenzenden Städte sollte man tatsächlich meiden. Doch der Westen der Ukraine ist friedlich und frei von militärischen Konflikten. Vor allem die Stadt Lwiw, auf Deutsch Lemberg, an der Grenze zu Polen lohnt sich für einen Besuch.
Schlemmen, spazieren und genießen
Lemberg ist eine Stadt des Genusses. In der wunderschönen Altstadt, die von einem Mix aus armenischer, polnischer, galizischer und deutscher Architektur geprägt ist, reihen sich traditionelle Kaffeehäuser und Schokoladenmanufakturen an verrückte Nachtclubs und urige Jazzbars. Blumengirlanden schmücken jedes Haus, die engen Straßen werden von einem Netz aus Straßenbahn-Oberleitungen überdacht.
Auf kleinen Märkten werden die von den Ukrainern heiß geliebten frischen Blumen, alte Bücher, Schallplatten und Obst aus der Region feilgeboten. Die Stadt ist aber auch spürbar eine Studentenhochburg: Es wird viel getrunken und gefeiert. Trotz alledem findet man in Lemberg nur einen Bruchteil der Touristenmassen, mit denen man sich Städte wie Prag oder Budapest teilen muss. Lwiw ist klein genug, um es bequem zu Fuß zu erkunden und dabei so vielfältig, dass es in jedem Viertel etwas Neues zu sehen gibt.
Lemberger Küche
Vor allem für die kulinarische Seite der Stadt sollte man sich viel Zeit nehmen: Im Gegensatz zum Rest der Ukraine, in der vor allem schwarzer Tee getrunken wird, hat Lemberg eine sehr alte Kaffeehaus-Tradition. Die Innenstadt ist voller Röstereien und Cafés, die sich gegenseitig mit ihren Torten und Strudel-Kreationen überbieten. Eine gute Adresse hierfür ist das Cukernia in der Staroievreiska-Straße, das alle Süßigkeiten anbietet, die man sich wünschen kann.
Sehr beliebt in Lemberg sind außer Strudel auch Mlynzi, Pfannkuchen mit verschiedenen Füllungen wie Kirschen oder Äpfeln. Sie sind das Pendant zu den russischen Blyni. Immer noch das beliebteste herzhafte Gericht für zwischendurch ist Borschtsch. Die Suppe aus Zwiebeln, Rote Beete, Rindfleisch und Weißkohl stammt ursprünglich aus der Ukraine – und nicht aus Russland, wie viele glauben. Sie wird meist als erster Gang am Mittag gereicht.
Die Trinkkultur in der Ukraine ist, dem Klischee entsprechend, immer noch sehr auf Wodka fixiert. Interessant ist der Brauch, viele Shots von verschiedenen Wodka-Sorten zu bestellen – oft gereicht in Reagenzgläsern – und diese abwechselnd mit einer Tasse Tee zu trinken. Der Tee soll dem Alkohol etwas von seiner Schärfe nehmen. Ebenso ungewohnt für die meisten Mitteleuropäer ist die ukrainische Art, Likör mit Milch verdünnt zu trinken.
Lemberg bei Nacht
Die Lemberger haben den Ruf, feierlustig zu sein. Obwohl die Stadt verhältnismäßig klein ist, kann sie daher mit einem Überangebot von Bars und Tanzschuppen aufwarten. So gibt es Riesenklubs wie das Metro, das jeden Tag geöffnet hat, auch kleinere und minimalistischere Läden wie das MusicLab, eine Mischung aus Café, Bar und Nachtklub im Stil der 70er. Hier läuft vor allem House und HipHop.
Eine besonders schöne Adresse ist das Kult-Kunsthaus Dzyga. Im Untergeschoss, unter den Strebebögen eines schwarz angestrichenes Steingewölbes, befindet sich eine Galerie, in der junge Künstler ihre Bilder und Skulpturen ausstellen können. Der Eintritt ist kostenlos und oft gibt es Livemusik: Besonders zu den Jazz Sessions füllen sich hier abends die Tische. Zu einer Tasse Tee wird im Dzyga ein um einen Holzstab gewickeltes, hartes Gebäck gereicht, das wie ein chinesischer Glückskeks eine rätselhafte Botschaft für den Gast bereithält. Leider nur auf Ukrainisch.
Stadt im Nordosten des Landes Triest – Italiens wunderschöne Kaffee-Metropole
Gruselig, gefährlich und verstörend Die 20 beeindruckendsten „Dark Tourism“-Orte weltweit
Von Pankow bis Wannsee 18 Orte in Berlin, die garantiert nicht jeder kennt
Festivals und Feiertage
Wer immer noch nicht überzeugt ist und einen besonderen Anlass braucht, um Lemberg eines Besuchs würdig zu betrachten, für den gibt es rund ums Jahr Festivals und Volksfeste, von denen viele für sich genommen eine Reise in die Stadt wert sind. Allen voran der 24. August, an dem die Ukrainer ihre Unabhängigkeit von der Sowjetunion mit dem Tragen von Tracht, Konzerten, Paraden, Saufgelagen und Tanzaufführungen feiern.
Aber auch zur Weihnachtszeit eignet sich Lemberg für einen Besuch. Weil in der Stadt sowohl viele Katholiken als auch orthodoxe Christen leben, feiert man die Geburt Jesu nämlich gleich zweimal: einmal vom 24. bis 26. Dezember, wie bei uns, und das zweite Mal am 6. und 7. Januar. Dazwischen liegt dann noch Neujahr, das ebenfalls groß gefeiert wird, weil zur Zeit der Sowjetunion das kommunistische Ersatzfest für Weihnachten auf Silvester verlegt wurde. Wem das eigene Weihnachten dieses Jahr also nicht reicht, der kann es in Lemberg gleich noch mal feiern.