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Anfänge der Freikörperkultur

Die Geschichte von FKK in Deutschland

Nackte Menschen rennen ins Wasser
Schon immer suchten Naturisten, wie der Name schon andeutet, durch das Nacktsein eine besondere Verbindung zur Natur Foto: Getty Images
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TRAVELBOOK Redaktion

18. November 2019, 14:19 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Noch immer wird FKK manchmal in der Schmuddelecke angesiedelt. Doch wer sich wirklich mit dem Thema beschäftigt, merkt schnell, dass hinter FKK viel mehr steckt als nur nackt zu sein. TRAVELBOOK verrät, wie die Freikörperkultur in Deutschland entstand.

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Verklemmte Biedermeier

Badekarren am Strand von Norderney. Deutschland. Carte-de-visite Photographie von Herzog. Bremen. 1865. Foto: dpa picture alliance
Badekarren am Strand von Norderney. Deutschland. Carte-de-visite Photographie von Herzog. Bremen. 1865. Foto: dpa picture alliance Foto: dpa picture alliance

In der Biedermeier-Zeit (1815 bis 1848) galt Nacktheit als sehr unanständig. Man trug Badebekleidung, die auch bei Männern fast den ganzen Körper bedeckte. Aber sogar in dieser Verhüllung war öffentliches Baden anstößig. Schon um 1800 gab es auf der Insel Norderney die ersten Badekarren: Holz-Umkleidekabinen mit Rädern, die ins Meer gefahren wurden, um die Badenden vor fremden Blicken zu schützen.

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In Essen wurde 1898 Deutschlands erster FKK-Verein gegründet

Den ersten Anhängern der Freikörperkultur in Deutschland ging es um 1900 aber nicht nur darum, bequemer und weniger umständlich zu baden, sondern um revolutionäre soziale Veränderungen: Die „Lebensreform“ wollte den Ausbruch aus den ungesunden und naturfernen Bedingungen, die in den Industriestädten herrschten.

In Essen gründeten Naturalisten 1898 Deutschlands ersten FKK-Verein. Berlin war ebenfalls ein Vorreiter der neuen Bewegung. Bei den damaligen Anhängern war Nacktheit eine politische Botschaft. Entweder ging es um Befreiung von sozialen Unterschieden, die auch an der Kleidung abzulesen waren, oder um Urgermanentum nach dem Motto „nackt und deutsch“ mit mehr oder weniger latentem Antisemitismus. Oft spielte Gesundheit eine Rolle, zum Gesamtkonzept gehörte dann zum Beispiel auch Abhärtung, Vegetarismus und Verzicht auf Alkohol und Tabak.

Karl Wilhelm Diefenbach wurde als „Kohlrabi-Apostel“ verspottet

Ein früher Vorkämpfer, der schon vor der Jahrhundertwende für Nacktheit als Teil einer neuen Lebensphilosophie warb, war der Maler, Veganer und Sozialreformer Karl Wilhelm Diefenbach. Er wurde als „Kohlrabi-Apostel“ verspottet, die Polizei behinderte seine Versammlungen und öffentlichen Vorträge, sodass er seine Wahlheimat München verließ und in einem verlassenen Steinbruch lebte. Danach floh er nach Ägypten und gründete eine sektenartige Kommune in Wien, bevor er 1913 auf Capri starb.

Der vielleicht prominenteste Urvater der deutschen Nacktkultur war Richard Ungewitter, der 1903 die Broschüre „Wieder nacktgewordene Menschen“ veröffentlichte und 1908 den zweiten FKK-Verein Deutschlands gründete. Sein Bekenntnis zur „Rassenhygiene“ sorgte dann für Kritik auch innerhalb des Vereins.

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Deutschlands Erster FKK-Strand

In den wilden Zwanzigerjahren wurde FKK unter alternativen Intellektuellen oder linksgerichteten Arbeitern immer populärer. 1920 eröffnete auf Sylt Deutschlands erster offizieller Nacktbade-Strand. Am 5. Mai 1931 wurde in Leipzig das erste öffentliche FKK-Schwimmfest durchgeführt. Als das Nacktbaden außerhalb geschlossener Vereinsgelände im gleichen Jahr verboten wurde, fanden die FKK-Vereine weiter Zulauf. Am Ende der Weimarer Republik hatten sie ca. 100.000 Mitglieder.

Im Dritten Reich wurden diese Vereine aufgelöst oder in nationalsozialistische Organisationen eingegliedert, etwa als Sportvereine in den „Bund für Leibeszucht“. 1942 wurde das Nacktbadeverbot gelockert und war abseits von Unbeteiligten erlaubt. Auch die Nacktheit blieb nicht frei von rassistisch-germanisierender Ideologie. Berühmt sind die Äußerungen von Hans Surén und die Bilder von Leni Riefenstahl.

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Freie Körper in Ost und West

Im geteilten Deutschland gab es auf beiden Seiten Trends zum FKK, auch wenn Nacktbaden als „typisch Ostdeutsch“ gilt. In Kassel wurde 1949 der „Der Deutsche Verband für Freikörperkultur“ gegründet und 1953 in Hannover ins Vereinsregister eingetragen, im gleichen Jahr auch die „fkk-jugend“.

Nachdem in den Fünfzigern unter anderem in Frankreich FKK-Badeorte entstanden, wurde textilfreies Baden auch in der BRD immer beliebter. In der 68er-Bewegung galt Nacktheit als Befreiung von den Fesseln des Spießertums. Antiautoritäre Eltern ließen ihre Kinder im Alltag nackt spielen. Sylt erlebte eine Renaissance als FKK-Mekka: „In jeder Welle hängt ein nackter Arsch“, bemerkte etwa Romy Schneider nach einem Inselbesuch 1968.

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Nordseeinsel Sylt

Legendär für FKK: Buhne 16 in Kampen auf der Insel Sylt
Foto: dpa picture alliance

Die Anfänge von FKK in der DDR

In der DDR begannen Künstler und Intellektuelle in den frühen 1950-Jahren das Nacktbaden in Ahrenshoop. Als es zu Konflikten zwischen bekleideten und unbekleideten Badegästen kam, wurde im Mai 1954 das Nacktbaden verboten. Die FKK-Anhänger protestierten, darunter auch Prominente, bis das Verbot exklusiv für Ahrenshoop aufgehoben wurde. In anderen Teilen der DDR war Nacktheit aber nicht erlaubt.

Es kam zu Ausschreitungen, bei denen bekleidete Badegäste, die als Kritiker verdächtigt waren, beschimpft, gefesselt oder sogar zwangsentkleidet wurden. Nach einer Welle von Protestbriefen und öffentlichen Aufrufen an die DDR-Regierung erließ diese 1956 die „Anordnung zur Regelung des Freibadwesens“. Sie erlaubte Nacktbaden in ausgewiesenen Bereichen. In den 1970er-Jahren wurde textilfreies Baden in der DDR massentauglich – ein Stück Freiheit in einer Diktatur, wie manche Soziologen glauben.

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Ahrenshoop
Ahrenshoop: Traumstrand mit FKK-Geschichte Foto: dpa picture alliance

»Sexindustrie hat den Begriff FKK gekapert

Heute wollen FKK-Anhänger in Deutschland meistens einfach nur das körperliche Freiheitsgefühl genießen, ohne eine Geisteshaltung damit zu verbinden. „Ich war schon als Kind immer mit meinen Eltern am FKK-Strand, damals in der DDR war das ganz normal“, sagt eine FKK-Anhängerin. „Bis heute mag ich es, frei von unbequemen und nassen Klamotten den Strand zu genießen.“

Ähnlich beschreibt Elmar aus Herrenberg, ein langjähriger Anhänger der FKK-Bewegung und Initiator des Forums fkk-freun.de, den Reiz am Nacktsbaden und -sonnen: „Ein Gefühl von Freiheit, sich wohlfühlen, den Wind, die Wärme oder auch die Kälte am ganzen Körper spüren, keine nasse, labberige Badehose am Leib.“

Wie viele andere FKK-Anhänger beklagt er die Tendenz, Nacktbaden zu sexualisieren und in die Schmuddelecke zu stellen: „Die Sexindustrie hat den Begriff FKK gekapert, um sich selbst in einem besseren Licht darzustellen“, sagt er. „Dadurch ist es viel schwieriger geworden, FKK als etwas Positives darzustellen.“

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Mehr Akzeptanz für FKK, aber Vereine verlieren an Relevanz

Dass die FKK-Vereine heutzutage Nachwuchsprobleme haben, muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass Nackbaden an sich out ist. „Immer weniger Leute haben Lust, sich in einen Verein einzubringen“, glaubt Elmar, „ansonsten beobachte ich ganz klar den Trend, dass FKK auch in nicht abgegrenzten Bereichen zu mehr Akzeptanz gekommen ist. Nacktwandern und Nacktradeln sind in und es gibt immer mehr FKK-Bereiche in Freibädern.“

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Einen Trend zu Auslandsreisen und zum Luxus unter FKK-Urlaubern stellt Wolfgang Weinreich fest, ehemaliger Präsident der Internationalen Naturisten-Föderation. „Den Vereinen mag die Mitgliederzahl zurückgehen, weil der Nachwuchs fehlt, im Tourismus ist das nicht so“, sagt er. Sowohl 50-plus-Genießer als auch junge Familien würden FKK-Urlaube buchen. „FKK ist nach wie vor interessant.“

(mgr)

Themen Deutschland FKK
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