22. April 2015, 9:06 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Es surrt, es fliegt, es ist unheimlich. Wie fühlt es sich an, am Strand von Rio plötzlich von einer Drohne angestarrt zu werden? TRAVELBOOK-Autorin Jessica Wagener beschreibt, wie die ferngesteuerten Mini-Flieger die Entspannung am Strand kaputt machen.
Ich komme aus dem Wasser und lasse mich schwungvoll auf mein Strandtuch fallen, die Sonne verdampft die Wassertropfen auf meiner Haut. Für einen Sonnenschirm bin ich zu geizig. Irgendwo knattert ein Hubschrauber, ein Eisverkäufer schmettert sein Angebot. Wellen donnern zischend an den Strand und waschen über das Stimmengewirr hinweg. Die Geräuschkulisse hier am Strand von Leblon in Rio de Janeiro umfängt mich wie ein Stück Heimat.
Dann ist da plötzlich dieses Surren.
Es klingt fremd. Heller als der Hubschrauber. Irgendwie… insektisch. Aber deutlich lauter als eine Biene oder Wespe. Libelle vielleicht? Ich zucke gedanklich mit den Schultern. Wird schon weiterfliegen. Aber es hört nicht auf. Es wird lauter. Dann verharrt es über mir. Ich drehe den Kopf, und was ich sehe, lässt mich fast aufspringen. Schräg über mir schwebt wahrhaftig eine Drohne!
Sie ist weiß und hat vier Rotoren. Vorne dran eine Kamera. Sie guckt mich an, jedenfalls wirkt es so. Ich gucke zurück. Eine Drohne am Strand? Was zur Hölle…
Bisher sind mir Drohnen nur auf Veranstaltungen begegnet, als technische Spielerei. Oder in Artikeln und Berichten. Als künftiger Boten-Ersatz. Oder – und das leider am häufigsten – als ferngesteuerte, fehlerbehaftete Tötungsinstrumente. Und jetzt kreist so ein Teil über meinem Kopf. Wo vorher Wassertropfen kullerten, kriechen nun Schweißtropfen über meine Stirn.
Drohnen am Strand – wird das bald Alltag? In Großbritannien arbeitet ein Unternehmen an ersten Prototypen für Rettungsdrohnen, habe ich bei der „Daily Mail“ gelesen. Sie sollen in Schwierigkeiten geratene Menschen vor dem Ertrinken retten, indem sie Schwimmringe abwerfen. Vorteil: Im Gegensatz zu menschlichen Rettungsschwimmern müssen die Drohnen sich nicht erst durch die Wellen kämpfen.
Das Ding über mir wirft nichts ab, bewegt sich aber minimal zur Seite. Ich ziehe die Knie an, umschlinge sie mit meinen Armen und suche die Person am Steuerknüppel. Nach ein paar Mal umherscannen entdecke ich ihn: ein junger Kerl, schätzungsweise Anfang 20, neongelbe Badeshorts, umgedrehtes Cap, orangefarben verspiegelte Sonnenbrille. Neben ihm zwei Freunde und ein älterer Mann, den ich für seinen Vater halte. Sie alle wirken wie kleine Kinder, vollkommen fasziniert von ihrem Spielzeug. Sie gucken nicht in meine Richtung. Trotzdem habe ich das Gefühl, durch die Kamera von ihnen angestarrt zu werden.
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Die Drohne dreht sich ein Stück nach links, immer noch auf der Stelle. Was tut sie da? Fotografiert sie? Filmt sie jemanden? Mich? Oder nur das Meer? Die gesamte Szenerie? Ist es lediglich ein Grüppchen harmloser Technikfreaks, die gemeinsam ihr neues Gadget ausprobieren? Ich habe keine Ahnung. Und das ist, so spüre ich, der Hauptgrund meines Unwohlseins.
Es ist unangenehm, von einer Maschine beobachtet zu werden. Weil man nicht weiß, was sie bezweckt, was sie mit dieser Beobachtung macht – insbesondere, wer da eigentlich was beobachtet oder auch nicht. Vor allem aber, weil man mit der Drohne nicht interagieren kann. Einem Menschen, bei dem ich das Gefühl habe, er starre mich an, werfe ich einen sehr bestimmten, missbilligenden Blick zu, spreche ihn vielleicht an und kann ihn bitten, zu verschwinden. Ich kann ihn mehr oder weniger einschätzen. Eine Maschine ist anders, unheimlich. Sie ist nicht lesbar. Ich ziehe meine Augenbrauen zusammen und grummele. Die Drohne dreht surrend ab Richtung Volleyballfeld, und ich bin erleichtert. Auch ein bisschen ärgerlich, dass ich keine Kamera dabei hatte. Um zurückzuknipsen.
Das ist sie also, diese „Zukunft“. Theoretisch kann sich jeder eine Drohne zulegen. Und während ich mich wieder bäuchlings auf mein Tuch lege, denke ich: Vielleicht brauchen wir bald am Strand nicht nur Schirme gegen die Sonnenstrahlung, sondern auch gegen Drohnen.
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