5. Oktober 2024, 7:53 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Es gilt als allgemein akzeptierter Fakt, dass Surfen einst in Hawaii erfunden wurde. In Peru gibt es unter einigen Fischern an der Pazifik-Küste aber eine sehr ähnliche Tradition, die bereits seit 3500 Jahren existiert. Manche Experten glauben daher sogar, dass der beliebte Wassersport eigentlich ursprünglich aus dem südamerikanischen Land stammt. Der Fortschritt und die Moderne bedrohen nun die Lebensweise der indigenen Surf-Pioniere.
Wenn die Rede vom Surfen ist, dann denken die meisten Menschen wohl zuallererst an kristallklare Wellen, die an Traumstränden vor den Vulkaninseln von Hawaii dramatisch brechen. Es gilt zudem als mehr oder weniger allgemein akzeptierter Umstand, dass der beliebte Wassersport von den polynesischen Vorfahren der Hawaiianer erfunden wurde. In dem kleinen peruanischen Küstenort Huanchaco gibt es jedoch eine verblüffend ähnliche Tradition, die die lokalen Fischer hier bereits seit 3500 Jahren nachweislich jeweils an die nächste Generation weiter reichen. Und die beweisen könnte, dass das Surfen eigentlich aus Peru stammt.
Als „heidnisch“ verboten
Wie die „BBC“ berichtet, bringen die in Huanchaco lebenden indigenen Fischer ihren Fang nachweislich seit mindestens dreieinhalb Jahrtausenden mit einem ganz besonderen Gefährt ein. Tatsächlich erinnert dieses eher an eine Art Surfbrett als an ein Boot. Traditionell wird dieses sogenannte „Caballito de Tortora“ aus dem Tortora-Gras hergestellt, das nahe der Küste in Süßwasserteichen gedeiht. Das Wort „Caballito“ bedeutet übersetzt „Pferdchen“, und genau wie so ein Tier reiten die Fischer von Huanchaco auf ihnen durch die Wellen. Die nach oben gebogene Vorderspitze eines solchen See-Pferdchens erlaubt es dem „Reiter“, mühelos durch die Wellen zum Strand zurückzugleiten.
Und während erste bildliche Darstellungen des Surfens auf Hawaii erst um das 12. Jahrhundert auftauchen, gibt es Abbildungen der peruanischen „Bretter“, die laut einer renommierten einheimischen Historikerin mindestens auf das Jahr 1400 vor Christus zurückzudatieren sind. Auf antiken Keramiken in den Museen nahe Huanchaco und in Lima sind Menschen beim Fischen, Surfen und sogar dem Transport von Gefangenen auf ihren „Caballitos“ zu sehen. Der Autor Amayo Zevallos beschreibt in einem Buch zu dem Thema auch, dass Surfen aus rituellen Gründen und als Wettbewerb jahrhundertelang in Peru verbreitet gewesen sei. Erst die Spanier hätten die Tradition dann aber als „heidnisch“ verboten.
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Eine Tradition ist bedroht
Ein solches „Caballito“ ist etwa vier Meter lang, einen Meter breit, und wiegt im trockenen Zustand um die 40 Kilo. Es kann Lasten von bis zu 100 Kilo tragen. Immer weniger Menschen nutzen die ungewöhnlichen Surfbretter aber noch für den Fischfang. In Huanchaco sind es gerade einmal noch 40 ihrer Art. Die moderne Fischerei in Peru und die Verschmutzung der Ozeane machen ihr Handwerk jedes Jahr gefährlicher und weniger profitabel. Nicht wenige der jüngeren Indigenen haben aber mittlerweile das touristische Potenzial der Surfbretter aus Seegras erkannt. Gegen eine Gebühr von etwa 50 Sol (12 Euro) nehmen sie dann Besucher aus aller Welt mit auf ihre speziellen Gefährte.
Doch die jahrtausendealte Tradition der „Caballitos de Tortora“ könnte schon bald für immer verschwinden. Der Grund: An der Küste gibt es immer weniger von dem Seegras, das für den Bau der Surf-Boote zwingend benötigt wird. Je mehr hier gebaut wird, desto schneller verschwindet die ursprüngliche Natur, und damit das Tortora. Nicht wenige Fischer greifen daher mittlerweile sogar auf Plastikflaschen oder Styropor als Füllmaterial für ihre Bretter zurück. Auch spezielle Tortora-Schutzzonen, die die Regierung mittlerweile eingerichtet hat, können diesen Trend wohl nicht mehr umkehren. Bereits seit Mitte der 1990er-Jahre wird der natürliche Rohstoff immer knapper.
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Kampf um jahrtausendealtes Erbe
Die wenigen verbliebenen Fischer von Huanchaco kämpfen seitdem umso verbissener darum, ihr jahrtausendealtes Erbe am Leben zu erhalten. Viele von ihnen sind heute schon über 40 oder sogar 50, wollen aber nicht aufgeben. Doch vielleicht liegt die Rettung für die See-Pferdchen-Reiter von Peru tatsächlich in einer Symbiose aus Tradition und Moderne. Und so könnten Touristen am Ende mit ihrem Interesse an den „Caballitos de Tortora“ dazu beitragen, den Ursprung des Surf-Sports lebendig zu erhalten.