18. August 2024, 14:24 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten
Wilde, unberührte Natur, faszinierende Kulturen, weites Land und eine jahrtausendealte Geschichte: Eine Reise nach Äthiopien ist Abenteuerurlaub im besten aller Sinne. Doch genau deshalb gibt es vorab und vor Ort auch so einiges zu beachten, denn ein Aufenthalt hier ist das genaue Gegenteil zu einem üblichen Pauschalurlaub. Unser Autor war für Sie unterwegs und verrät alles Wichtige, was man für eine rundum gelungene Erfahrung wissen sollte.
Wie kann man sich ein Land vorstellen, dass eigentlich unvorstellbar ist? Unvorstellbar in dem Sinne, als dass es nichts auch nur im Entferntesten gleicht, was man selbst als erfahrener Reisender schon jemals vorher gesehen hätte? Ein Land, das einen mit den vielfältigsten, wunderbaren und manchmal auch wunderlichen Eindrücken regelrecht überflutet, ja manchmal sogar erschlägt? Im Fall von Äthiopien ist die Antwort einfach: Vergessen Sie einfach alles, was Sie aus Erzählungen oder den Medien zu wissen meinen, und fahren Sie selbst einmal hin. Denn Äthiopien ist wirklich ein Land, das man mit eigenen Augen gesehen haben muss, um es zu verstehen. Und selbst dann wird es einem mitunter manchmal schwerfallen.
Übersicht
Ich hatte kürzlich das Privileg, nach Äthiopien reisen zu dürfen. Ein Land, dessen Norden sich gerade erst von einem jahrelangen, blutigen Bürgerkrieg erholt. Und wo auf einer Fläche so groß wie Frankreich und Spanien zusammen etwa 120 Millionen Menschen leben. Wo der durchschnittliche Arbeiter weniger als einen Euro am Tag erwirtschaftet, und die Menschen dennoch so herzerwärmend lachen, als wären sie die reichsten auf der Welt. Wo in einer unvorstellbar weiten Landmasse, wie zufällig verstreut, unzählige Ethnien mit jahrtausendealter Geschichte leben, die insgesamt etwa 80 verschiedene Sprachen sprechen. Ein Land, das auf den ersten Blick fremd und doch einladend zugleich wirkt, und wohl jeden, der das erste Mal dort ist, im besten aller Sinne völlig überfordert.
Immense Distanzen
Alleine schon die Distanzen bzw. Fahrzeiten, die man hier zurücklegen muss, um an ein Ziel zu gelangen, sind mitunter absolut unvorstellbar. Das liegt daran, dass es im gesamten Land aktuell nur 78 Kilometer Autobahn gibt. Und am teilweise erbarmungswürdigen Zustand der insgesamt spärlich gesäten „Straßen“, die das Land wie ein archaisches Adernetz durchziehen. Innerhalb von 12 Tagen habe ich etwa 2800 Kilometer zurückgelegt, und war doch von der Hauptstadt Addis Abeba nie weiter als eine Tagesreise entfernt. Hier wird der aus Deutschland anreisende Gast normalerweise auch ankommen. Der Moloch, der gut drei Millionen Einwohner zählt, ist Ausgangspunkt für alle Reisen innerhalb des Landes.
Nonstop erreicht man die Hauptstadt von Äthiopien über Frankfurt am Main mit Ethiopian Airlines. Turkish Airlines fliegt das Ziel zudem von mehreren deutschen Flughäfen über Istanbul an. Der Bole International Airport liegt nur unweit vom Stadtzentrum entfernt. Hier beginnt dann auch bereits das Abenteuer, und hier werden Sie in der Regel auf Ihren einheimischen Guide treffen. Diesen werden Sie auch unbedingt brauchen, wenn Sie aus Ihrer Zeit in dem afrikanischen Land das Beste machen wollen. Denn Ausländern ist es in Äthiopien unmöglich bzw. sogar verboten, sich einen Mietwagen ohne Guide zu nehmen. Ihr Arrangement sollten Sie daher unbedingt vorab bei einer Agentur ihrer Wahl organisieren.
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Tauschen Sie clever
Ich war vor Ort mit einem Anbieter in einer Gruppe von insgesamt 12 Personen unterwegs. Vor allem unseren drei Fahrern ist es zu verdanken, dass die Reise ein unvergessliches, in allen Sinnen überwältigendes und oft auch völlig überforderndes Abenteuer wurde. Denn es sind natürlich die Locals, die immer genau wissen, wo an einem Ort gerade etwas Spannendes passiert, und welche Destinationen generell sehenswert sind. Die Sicherheit, jemanden dabei zu haben, der mit den Einheimischen kommunizieren kann, ist ein weiteres riesiges Plus. Denn bereits kurz hinter der Grenze von Addis Abeba können sie ihr Englisch und auch die paar Brocken der offiziellen Amtssprache Amharisch, die Sie vielleicht noch gelernt haben, komplett vergessen.
Zu guter Letzt wird es vermutlich auch Ihr Guide sein, der Ihnen Zugang zu dem Land und seinen atemberaubenden Märkten in Form von einheimischer Währung verschafft. In Äthiopien zahlt man mit dem Birr, und der offizielle Wechselkurs zum Euro beträgt etwa 1 zu 120. Sie können allerdings fast sicher sein, bei einem Guide einen mitunter sehr viel besseren Tausch für ihr Geld zu machen, denn ausländische Devisen wie Euro und Dollar sind heiß begehrt. Generell gilt die klare Empfehlung: Nehmen Sie ausreichend Bargeld mit, denn vor Ort ist es keine Seltenheit, dass Bankautomaten selbst in der Hauptstadt nicht funktionieren oder über keine Reserven mehr verfügen. Besonders auf dem Land und hier im Süden kann eine solche Suche nach Bargeld erfahrungsgemäß mitunter Tage dauern.
Ungebetene Zimmergäste
Und noch eine Anmerkung zum Geld: Versuchen Sie, sich ihren Tauschbetrag so kleinteilig wie möglich auszahlen zu lassen. Das beliebteste Zahlungsmittel ist der 10-Birr-Schein, weil man mit ihm am bequemsten die für deutsche Verhältnisse überall oft lächerlich kleinen Preise zahlen kann. Mitunter sind solche Scheine daher auch bis zur Durchsichtigkeit von Bibelpapier abgegriffen und teils mehrfach geklebt, weil sie so oft den Besitzer wechseln. Hunderter und Zweihunderter sehen dagegen nicht selten aus wie druckfrisch, wenn Sie sie erhalten. Sie eignen sich für das Bezahlen in Restaurants oder Hotels. Vor allem jenen, die einen zumindest ansatzweise mit Europa vergleichbaren Standard haben. Generell gilt aber die Faustregel: Vier Sterne in Äthiopien wären normalerweise zwei bis höchstens drei Sterne in Deutschland.
Und auch hiermit wird man leben müssen, denn generell sind die Unterkünfte vor Ort und vor allem auf dem Land doch teils sehr einfach. Hier ist Flexibilität gefragt, denn mitunter funktioniert weder das Internet noch gibt es warmes Wasser zum Duschen. In Hotels, die sichtbar länger schon keine Gäste mehr hatten, können sich in Ihrem Zimmer zudem ungebetene Gäste wie Insekten, Eidechsen oder sogar Frösche befinden (meiner saß unter der Dusche). Die Freundlichkeit der Einheimischen und der absolut zuvorkommende Service sollten Sie diese kleinen Unannehmlichkeiten aber hoffentlich schnell vergessen lassen.
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Gutes Essen, schlechte Straßen
Ein Wort noch zum Essen: Die äthiopische Küche ist vielleicht nicht die vielseitigste, aber durchaus sehr lecker. Typischerweise erhält man überall im Land zu seinem Gericht einen „Enjera“-Fladen aus Hirsemehl. Dazu kann man „Shiro“ oder „Tegabino“ bestellen, zwei mehr oder weniger dickflüssige Saucen aus Kichererbsen und/oder Bohnen. Wer stattdessen lieber Fleisch möchte, bestellt „Tibs“, üblicherweise ist das Schaf oder Ziege. Die Einheimischen essen gerne sehr scharf, und wer es ihnen nachtun möchte, fragt nach „Berbere“. Das ist dann entweder Chilipulver oder eine feurige Salsa. Vor allem in den Städten und den touristischen Ressorts müssen Sie aber bei Bedarf auch auf Gerichte wie Pizza, Pasta und Hamburger nicht verzichten.
Den Zustand der „Straßen“ hatte ich ja eingangs bereits erwähnt. Dennoch müssen Sie hinnehmen, bei einer Reise durch Äthiopien mitunter gefühlt tagelang im Auto zu sitzen. Es ist durchaus keine Seltenheit, für eine Strecke von 300 Kilometern, Pausen mit eingerechnet, um die zehn Stunden zu brauchen. Zumal Sie es vor allem innerorts völlig abschreiben können, schneller als mit maximal 30 Kilometern pro Stunde unterwegs sein zu wollen. Das liegt daran, dass das Leben in Äthiopien vielerorts komplett an und mitunter auch auf den Straßen stattfindet. In einem Land, in es weitflächig kaum nennenswerten Verkehr gibt, regelt sich dieser dennoch auf zum Teil höchst skurrile Weise.
Begegnung mit den Einheimischen
Da tummeln sich Esel, Schafe, Ziegen, Katzen und Hunde auf der Straße, nicht selten wird auch eine komplette Rinderherde aus hunderten von Tieren vor den hupenden Fahrzeugen seelenruhig entlang getrieben. Kamele können Ihnen im Süden von Äthiopien genauso vor die Flinte laufen wie Zwergantilopen und natürlich auch Menschen, jung und alt. Mitunter errichten diese dann sogar auch inoffizielle „Verkehrskontrollpunkte“ und verlangen eine kleine Gebühr für die Weiterfahrt. In einem Land, wo mittlerweile wirklich jeder Bauer zum Schutz seines Viehs eine Kalaschnikow mit sich trägt, sollte man in solchen Momenten als Auswärtiger respektvoll schweigen und dem Guide die Verhandlungen überlassen.
Das größte aller Abenteuer ist aber die Annäherung an die Einheimischen, vor allem die im Süden so zahlreich vertretenen Ethnien. Wie vielleicht in keinem anderen Land erfahren diese auch durch den Tourismus aktuell einen radikalen kulturellen Wandel. Ein guter Start ist es, bei einer Begegnung die rechte Hand auf Herz zu legen und eine Verbeugung anzudeuten, am besten begleitet von einem allgegenwärtigen Gruß wie „Salām“. Ich habe es bei meinem Aufenthalt darüber hinaus sehr genossen, mir bei jeder Ethnie, die wir besuchten, zumindest die Wörter für „Guten Tag“, „Wie geht’s?“ und „Wie heißt du?“ beibringen zu lassen. Schon war mithilfe von Gesten ein kleines Gespräch im Gange, und man fühlte sich ein bisschen weniger befangen.
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Nervenaufreibender Aufenthalt
Denn man muss es einfach klar so sagen wie es ist: Eine Begegnung mit manchen der Ethnien im Süden von Äthiopien ist ein absoluter Kulturschock. In teils einfachsten Hütten leben die Menschen hier ihren Traditionen getreu wie auch schon vor hunderten, vielleicht tausenden von Jahren. Die Frauen mitunter barbusig, die Kinder komplett nackt, kein Strom und kein fließendes Wasser. Hier muss man wirklich aufpassen, dass ein Besuch nicht einfach in eine Fotosafari ausartet. Denn natürlich möchte man das Fremde, Faszinierende auch festhalten. Und natürlich erwarten die Einheimischen dafür einen Geld-Betrag, der meist pro Person vorab festgelegt wird und sich auf umgerechnet vielleicht drei Euro beläuft.
Als wahrer Reisender, der sich vom bloßen Touristen abheben will, sollten Sie hier versuchen, die Dinge nicht nur durch die Linse Ihrer Kamera zu betrachten. Zumal die Besuche bei den verschiedenen Ethnien mitunter nur sehr kurz angelegt sind. Das liegt auch daran, dass sie für Gäste durchaus nervenaufreibend sein können. Sie müssen mental darauf vorbereitet sein, von der Sekunde Ihrer Ankunft permanent und mitunter auch sehr enervierend um Geld oder andere Aufmerksamkeiten angegangen zu werden. Die schlimmsten Zustände bereitete mir mitunter das Schuldgefühl, nicht allen Bedürftigen etwas geben zu können, obwohl ich doch so viel mehr hatte als sie.
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Meiden Sie die Regenzeit
Auch vor der eigentlichen Reise nach Äthiopien gibt es manches zu beachten. So herrschen einmal von Februar bis März und dann von Juni bis September hier eine kleine und eine große Regenzeit. In diesem Zeitraum kann es mitunter derart heftig schütten, dass zuvor bereits rudimentäre Straßen völlig unpassierbar werden. Als ich das Land im Juli 2024 besuchte, gab es zudem infolge der Niederschläge mehrere Erdrutsche mit hunderten von Toten. Und schließlich braucht man als Deutscher für die Einreise ein Visum, dass man vorab bequem auf einer offiziellen Webseite der äthiopischen Regierung beantragen kann. Mit Kosten von 82 Dollar ist es für mein Verständnis ziemlich teuer.
Zum Schluss bleibt eines zu sagen. Eine Reise nach Äthiopien muss man sich wirklich trauen und auch zutrauen. Dort, wo die Neugier beginnt und die Weltoffenheit schon vorhanden ist, kann man in einem solchen Fall das Abenteuer seines Lebens erfahren. Ich war bereits in etwa 70 Ländern. Aber keines ist an Exotik und Andersartigkeit auch nur ansatzweise mit Äthiopien vergleichbar gewesen. All die unzähligen tiefen Eindrücke, die das Land bei mir hinterlassen hat, trage ich jetzt als Erinnerung auf meinem Herzen tätowiert. Und sage, wieder einmal, demütig Danke für eine absolut unvergessliche Erfahrung.