27. Juni 2017, 12:08 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Haben Sie sich auch schon einmal gefragt, warum Fluggäste in Zeiten modernster elektronischer Technik auch heute teilweise noch per Hand abgezählt werden? TRAVELBOOK hat sich bei einigen Airlines erkundigt. Die Antwort hat mit der Sicherheit der Passagiere zu tun…
Heutzutage wird fast jeder Aspekt einer Flugreise von moderner Technik und Maschinen begleitet, die einen reibungslosen Ablauf garantieren sollen. Da mag es so manchen überraschen, wenn vor dem Start plötzlich ein Flugbegleiter durch die Gänge läuft und die Passagiere nochmal einzeln per Hand abzählt. Doch warum greifen Fluggesellschaften immer wieder auf diese scheinbar veraltete Zählweise zurück? TRAVELBOOK hat bei einigen Airlines nachgefragt.
Tatsächlich ist es erst einmal so, dass jede Fluggesellschaft ihrer Bordcrew vor dem Flug anhand einer Liste die Anzahl der gebuchten Passagiere mitteilt. „Diese sogenannte PAX-Liste (Persons approximately, zu Dt. ungefähre Personenanzahl) wird dann überwiegend softwaregestützt direkt am Gate abgeglichen“, erklärt Airberlin-Sprecher Tobias Spaeing auf TRAVELBOOK-Anfrage.
Liste mit den Passagieren geht auch an den Kapitän
Auch bei Lufthansa würden die Passagiere beim Scannen der Bordkarte am Gate gezählt, wie Sprecherin Anja Lindenstein TRAVELBOOK erklärt. Die erfassten Daten könne der Kabinenchef auf einem iPad abrufen und dann die notwendigen Vorbereitungen treffen. Zudem liefere die Liste auch Informationen zu der Zahl der Statuskunden an Bord.
Neben dem Kabinenchef bekommt auch der Kapitän die Liste mit den Passagieren. Sie ist Teil des sogenannten Loadsheet. Darauf stehen neben den Fluggästen und deren Verteilung im Flugzeug unter anderem auch Informationen zur Fracht, Treibstoff und Bordverpflegung. „Im Cockpit druckt der Kapitän das Loadsheet aus und übergibt dann an den Kabinenchef den für ihn relevanten Teil“, erklärt Lindenstein.
Benjamin Held von Condor, ergänzt: „Durch das Scannen der Bordkarten beim Boarding wird erfasst, welche Fluggäste das Flugzeug betreten haben, und welche Gäste eventuell noch ausgerufen werden müssen. Zu jedem Zeitpunkt ist der Status der Fluggäste so nachvollziehbar.“
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Wann händisch gezählt wird
Zuständig für diese Art des Abgleichs ist das elektronische Departure Control System, kurz DCS. Doch warum dann noch das Abzählen per Hand? Xenia Leonhardt, Pressesprecherin von Easyjet, erklärt: „Sollte die IT-Infrastruktur, wie beispielsweise die Scanner am Gate oder das Departure Control System, ausfallen, kann man auf eine händische Zählweise zurückgreifen, die auf der Passagierliste basiert. In diesem Fall werden die Ergebnisse des Handzählers mit den Passagierlisten abgeglichen.“
„Sicherheit hat in der Luftfahrt oberste Priorität. Deswegen wird bei Abweichungen der Passagieranzahl der Grund entsprechend analysiert“, sagt Tobias Spaeing. Xenia Leonhardt fügt hinzu: „Das Kabinenpersonal oder das Personal am Gate kann sich deshalb auch zu jedem Zeitpunkt für die Zählweise mittels Handzähler entscheiden, sollte die Vermutung bestehen, dass es Probleme beim Scanning-Prozess oder mit dem DCS gegeben haben könnte.“
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Es kommt auf die Parkposition des Fliegers an
Eine besondere Rolle spielen also zum einen die technischen Gegebenheiten am Flughafen – aber auch die Position des Fliegers: Befindet sich der Flieger in Parkposition vor dem Gate und damit in unmittelbarer Reichweite zur Fluggastbrücke, wird überwiegend softwaregestützt gezählt. In einem solchen Fall ist normalerweise nicht davon auszugehen, dass sich ein fremder Passagier in die Maschine „verirrt“. Anders verhält es sich, sollte der Flieger eine Parkposition auf dem Rollfeld eingenommen haben – oder bei Transitflügen. Hier wird häufig noch einmal im Flieger selbst mit einem Handzähler die Anzahl der Passagiere nachgeprüft.
Der Grund: Fahren Passagiere nach dem Scannen ihrer Bordkarte mit einem Bus zu ihrem Flieger, oder gelangen sie gar zu Fuß dorthin, besteht immer das Risiko, dass jemand verloren geht oder trotz aller Sicherheitsvorkehrungen ganz einfach die Maschine verwechselt. Um zu gewährleisten, dass niemand im falschen Flieger sitzt, gibt es die sogenannten PILs, wie Condor-Sprecher Benjamin Held erklärt. „Nachdem das Boarding abgeschlossen und das Gate geschlossen ist, wird eine sogenannte PIL oder Purser Information List gedruckt, die der Purser mit an Bord nimmt. Diese enthält alle notwendigen Informationen.“
Die Art und Weise wie Passagiere gezählt werden ist also situationsabhängig und ist erster Linie eine Maßnahme, um bei der Abfertigung von Passagieren die Sicherheit zu gewährleisten.