15. August 2017, 10:59 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
In einem Forst im Havelland, nicht weit von Berlin entfernt, wird seit Jahrzehnten immer wieder ein unheimliches Licht gesichtet, dessen Herkunft sich niemand erklären kann. Das Phänomen ist inzwischen weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt und lockt immer mehr Besucher und Geisterjäger in den Wald. Was hat es mit dem Brieselanger Licht auf sich? TRAVELBOOK ging auf Spurensuche.
Verwackelte Kameraaufnahmen aus einem Wald. Es ist Nacht, man kann kaum etwas erkennen. Doch plötzlich ist in der Ferne ein Licht zu erkennen, es leuchtet rötlich, flackert. Ein Autoscheinwerfer? Eine Taschenlampe? Oder doch ein Geist, der hier sein Unwesen treibt? Solche oder ähnliche Aufnahmen kursieren viele im Netz, wenn man nach „Brieselang“ sucht. Genauso wie unzählige Berichte über ein eigentümliches und scheinbar unerklärliches Licht, das sich immer wieder unvermittelt zeigen soll – das „Brieselanger Licht“.
Brieselang – das ist eine kleine Gemeinde in Brandenburg, etwa 30 Kilometer westlich von Berlins Stadtzentrum. Knapp 10.000 Einwohner, drei Schulen, ebenso viele Kirchen, ein Bahnhof, ein hübscher See und ziemlich viel Wald drumherum. Für viele Berliner war die Gegend, die idyllisch an einem Kanal der Havel liegt, einst ein Ort, um aus der lauten und engen Stadt zu entfliehen. Viele Kleingärten sind hier entstanden, später dann größere Eigenheime. Es gibt deshalb ein recht reges Vereinsleben in Brieselang, das Leben plätschert gemütlich vor sich hin. Kaum jemand außerhalb Brandenburgs hätte wohl je Notiz von dem hübschen Örtchen im Grünen genommen – wenn da nicht jenes geheimnisvolle Phänomen wäre, das schon für zahlreiche Spekulationen unter Geisterjägern und Mystery-Forschern gesorgt hat.
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Ein brutaler Kindsmord
Wann genau das mit diesen Lichterscheinungen in den Wäldern von Brieselang anfing, kann niemand so genau sagen. Mal sahen es mehr, mal weniger Menschen. „Das Licht hatte schon einmal einen Hype zu verzeichnen, in den 90er-Jahren“, erinnert sich der in Brieselang lebende Autor Günter F. Janßen, der jahrelang zu dem Phänomen recherchiert und letztlich ein Buch darüber geschrieben hat. Auf seiner Suche nach der möglichen Quelle für das mysteriöse Licht ist Janßen auf das Schicksal der zwölfjährigen Elisabeth Wieja gestoßen, die 1945 im Brieselanger Wald ermordet wurde.
„Elisabeth Wieja war erst kurz vor der Tat im Sommer 1945 mit ihren Eltern von Brieselang nach Altbrieselang hinausgezogen“, berichtet der Autor auf TRAVELBOOK-Nachfrage. „Sie wollte einigen angetrunkenen sowjetischen Soldaten den Weg durch den Wald zu ihren Unterkünften in Brieselang weisen und wurde keine 100 Meter vom Gasthof ‘Alter Krug‘ in Altbrieselang zunächst brutal vergewaltigt und dann durch einen Schuss direkt ins Gesicht getötet. Ihre Mörder sind bis heute unbekannt.“
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Randalierende Jugendliche im Wald
Ist dieser Mord die Grundlage für die Legende, die sich bis heute um das Brieselanger Licht rankt? Augenzeugen berichten von einem mal grünen, mal weißen Leuchten, manchmal begleitet von Stimmen und Geräuschen. Wahlweise wird das Licht auch als rötlich beschrieben. Die Seele des ermordeten Mädchens streife ruhelos durch die Wälder, meinen die einen. Es sei der Schein der Taschenlampe ihres Vaters, der noch immer seinem kleinen Mädchen suche, meinen andere.
„Alles Humbug“, sagt dagegen Wilhelm Garn, der bis 2019 Bürgermeister der Gemeinde Brieselang war. Das Ganze sei nur ein Gerücht, für den Mord an dem Mädchen gebe es „keine belegbaren Beweise“. Zwar habe er nichts dagegen, dass sich solche Spuk-Legenden um den Ort ranken. „Es tut ja keinem weh, wir sind da leidenschaftslos.“ Ein Problem seien aber doch die vielen Leute, die ständig abends mit dem Auto in den Wald führen. Auch im Gemeindeausschuss war das Problem schon Thema, von randalierenden Jugendlichen war dort die Rede, die „Flaschen in die Vorgärten geworfen und an die Zäune uriniert“ hätten.
Sorge um Baumbestand
Auch die Förstersfrau Heike Schubert ist über die Legende vom Brieselanger Licht nicht gerade glücklich und sorgt sich um den Erhalt des Baum- und Wildbestandes in dem etwa 700 Hektar großen Wald. „Wir haben nur Ärger damit. Es gibt das Licht nicht“, zeigt sie sich gegenüber TRAVELBOOK überzeugt.
Autor Günter F. Janßen ist dagegen sicher, dass das Phänomen tatsächlich existiert. Im Zuge seiner Recherchen hat er selbst schon Beobachtungen im Brieselanger Wald gemacht, die er sich nicht erklären kann. In seinem Buch beschreibt er eines seiner Erlebnisse wie folgt:
Aus Richtung Altbrieselang nähert sich jetzt (…) scheinbar eine Person mit einer Taschenlampe in der Hand, jedenfalls würde ich das Licht als Taschenlampenlicht deuten, da es etwa einen Meter über dem Erdboden erscheint, über einen Strahlenkranz verfügt und infolge der Gehbewegung der sie tragenden Person leicht hin und her schwankt. Ungewöhnlich erscheint mir nur, dass die Lampe keinen erkennbaren Lichtkegel vor sich auf dem Weg erzeugt. (…) Das Licht vibriert kurze Zeit ein wenig, dann wechselt es auf Rot, anschließend auf Grün. Was ist denn das für eine Taschenlampe, die man verschiedenfarbig einstellen kann? So etwas habe ich noch nie gesehen. (…) Plötzlich ist das Licht komplett verschwunden, taucht auch nirgends wieder auf. Hat die Person ihre Taschenlampe einfach ausgeschaltet? Jetzt schalte ich rasch meine Lampe ein, leuchte den Weg hinauf, erkenne aber weit und breit niemanden mehr. Wo eigentlich eine Person hätte stehen müssen ist definitiv niemand.
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Woher kommt das Licht wirklich?
Dass Menschen immer wieder Lichter im Brieselanger Wald wahrnehmen, deren Herkunft sie sich nicht erklären können, scheint unumstritten. Nur: Woher kommen diese Lichter wirklich? Gibt es womöglich eine ganz einfache Erklärung dafür? Teilweise ja, sagt Günter F. Janßen: „Die häufigsten Sichtungen sind Scheinwerfer der Autos, die auf der Nauener Chaussee oder der Finkenkruger Straße am Wald entlangfahren und Taschenlampen der Personen, die im Wald nach dem Licht forschen.“ Allerdings ließen sich damit nicht alle beobachteten Lichtphänomene erklären.
Aufgrund seiner jahrelangen Nachforschungen in Brieselang hat Janßen eine weitere Lichtquelle ausgemacht, die mit der Beschaffenheit des Bodens im Brieselanger Wald zu tun hat. „Es handelt sich um ein ehemaliges Sumpfgebiet, unter dessen Vererdung es noch immer zu Gasbildungen kommt, die entweichen und sich in Verbindung mit Sauerstoff entzünden können.“ Dadurch entstünden unter bestimmten jahreszeitlichen und klimatischen Voraussetzungen natürliche Lichter. „Mit etwas Glück kann man diese Lichter zum Beispiel im November bei Einbruch der Dunkelheit sehen.“
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Aber, ergänzt Janßen, darüber hinaus gebe es weitere Lichter, die sich weder anhand künstlicher Quellen wie Scheinwerfern oder Taschenlampen noch anhand der Bodenbeschaffenheit erklären ließen. „Diese Lichter regen die Fantasie an und führen meist immer zu dem Verbrechen an der kleinen Elisabeth Wieja.“