4. Januar 2018, 13:44 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Für die Bildung, zur Erhaltung der Arten, für die Forschung: Es gibt einige Argumente für die Existenzberechtigung von Zoos. Doch auch ebensoviele Gegner melden sich zu Wort. TRAVELBOOK-Redakteurin Louisa Wittek hat eine klare Meinung zum Thema Zoo.
Auch wenn die Tage gerade kaum kürzer sein könnten: Die meisten Zoos in Deutschland haben auch im Winter ihre Pforten für Besucher geöffnet. Vor allem Familien mit kleinen Kindern freuen sich über ein bisschen Abwechslung am Wochenende und statten den Tieren einen Besuch ab. Gerade für die Kleinen ist es immer ein Erlebnis, wilde Tiere zu beobachten. Ich erinnere mich noch daran, wie ich als Kind unbedingt Tierpfleger im Zoo werden wollte und die stundenlangen Spaziergänge zwischen den Gehegen geliebt habe. Mit der Zeit begann ich aber zu hinterfragen, ob die Tiere auf den anderen Seiten der Gitter ebenso begeistert von ihrer Situation waren wie ich.
Je mehr ich darüber nachgedacht habe, desto klarer wurde mir, dass ich Zoos nicht mehr unterstützen möchte. So faszinierend es auch ist, wilde Tiere zu beobachten, so schrecklich ist der Gedanke, dass sie oft ihr Leben lang eingesperrt sind. Was soll das also, warum gibt es überhaupt Zoos? Ich fragte nach beim Verband der Zoologischen Gärten (VdZ) und bekam Antworten von Linda Dommes und Philine Hachmeister.
Wofür sind Zoos da?
Eine wichtige Frage ist, warum es Zoos überhaupt gibt. Der VdZ hat mir die Frage nach der Daseinsberechtigung der Zoos so beantwortet: „Alle wissenschaftlich geführten Zoos haben sich vier Kernaufgaben verschrieben, die auch gesetzlich verankert sind: Sie müssen Bildung, Artenschutz, Forschung und Erholung dienen. […] Zusammengefasst sehen wir unsere Aufgabe darin, Menschen für Tiere zu begeistern, um Artenschutz im Zoo und im natürlichen Lebensraum der Tiere realisieren zu können.“ So weit so gut. Aber wie geht es den Tieren damit?
Die Frage nach der Bildung
Bildung ist also eine Kernaufgabe eines Zoos. Durch das direkte Erleben sollen Kinder wie Erwachsene viel über die eigentlich wilden Tiere lernen? Aber was lernt das Kind tatsächlich von Affen, die gelangweilt die Menschen hinter den Glasscheiben nachmachen? Dass die Kinder natürliches Verhalten bei so unnatürlich gehaltenen Tieren beobachten sollen, ist absurd. Die meisten Tiere können ihren natürlichen Instinkten im Zoo nicht nachgehen, wodurch sie in der Natur überlebenswichtige Fähigkeiten teilweise verlernen und die natürlichen Verhaltensweisen verkommen. Wie oft sieht man eine Löwin jagen? Wie oft beobachtet man einen Elefanten dabei, wie er mehrere Kilometer am Tag zurücklegt?
Und selbst, wenn die Zoos uns das Verhalten der Tiere näherbringen könnten: Der Preis ist nicht angemessen. Andere Lebewesen auf wenigen Quadratmetern gefangen zu halten und sie zu präsentieren sollte kein Mittel der Bildung sein. Wir haben andere Möglichkeiten: Es gibt zahlreiche TV-Dokumentationen, Ausflüge durch Wälder mit beheimateten Tieren oder nachhaltige Safari-Touren in anderen Ländern. Alternativen, die auch den respektvollen Umgang mit Tieren näherbringen können.
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Die Frage nach dem Tierschutz
Ein weiteres Argument des VdZ ist, dass Menschen und besonders Kinder für Naturschutz sensibilisiert werden. „Durch das unmittelbare Erleben von Tieren mit allen Sinnen werden Emotionen geweckt und ein persönlicher Bezug zu den Tieren und dem Naturschutz hergestellt. Die Teilnehmer lernen, wie wichtig die verschiedenen Lebensräume für Tiere und auch für den Menschen sind“, äußert sich Frau Dommes. VdZ-Mitarbeiter Hachmeister ergänzt: „Sie [die Tiere, Anm. d. Red.] fungieren auch als Botschafter für ihre bedrohten Artgenossen in freier Wildbahn.“ Doch wie viel Wissen über den Naturschutz wird tatsächlich vermittelt? Laut der Tierschutzorganisation PETA gibt es keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass die Menschen durch einen Besuch im Zoo für den Artenschutz sensibilisiert werden.
Zudem hat sich das Tier die Rolle nicht ausgesucht. Es ist nicht freiwillig im Zoo, hat nicht darum gebeten, Botschafter seiner Spezies zu sein und ich vermute, es würde sein Gehege sofort verlassen, wenn man ihm die Möglichkeit geben würde. Es klingt zwar nobel, dass ein Tier als Botschafter seiner Spezies dient, wenn man aber bedenkt, unter welchen gezwungenen Umständen dies geschieht, hat es nur noch wenig mit der positiven Darstellung der Zoos gemein.
Die Frage nach der Erhaltung der Spezies
Ein weiteres Argument ist, dass man vom Aussterben bedrohte Tiere rettet. Aber was bedeutet retten? Es passiert äußerst selten, dass vom Aussterben bedrohte Spezies durch ihre Aufzucht im Zoo wieder überlebensfähig in die Natur zurückkehren. Viele gefährdete Tiere, wie Bären und Tiger, können laut dem Vegetarierbund VEBU oder dem deutschen Tierschutzbund nicht wieder ausgewildert werden. Wenn eine Auswilderung wie bei dem Przewalski-Pferd erfolgreich ist, ist das natürlich schön und definitiv erstrebenswert. Die Frage ist aber, ob dazu tatsächlich der Zoo der richtige Ort ist. Denn während der Zoo das Leben einiger weniger Spezies sichert, hält er nebenbei viele Hunderte Tiere gefangen. Laut PETA und dem VEBU sind 85 Prozent der Tiere im Zoo nicht gefährdet und von den bleibenden 15 Prozent können einige der Tiere nicht wieder ausgewildert werden.
Der Zoo muss wirtschaftlich sein
Die Pfleger, das Futter, die Käfige – all das kostet Geld. Viel Geld. Um wirtschaftlich zu bleiben, muss der Zoo zahlende Besucher anlocken. Man kann den Menschen, die für den Zoo arbeiten, nicht unterstellen, dass sie es nur wegen des Geldes tun. Das ist nicht die Absicht dieses Artikels. Aber Geld spielt nun mal eine Rolle. Und dafür müssen die Besucher bei Laune gehalten werden. Jungtiere, wie der Eisbär Knut im Berliner Zoo, werden vermarktet und Robben machen Kunststücke in ihrem Becken, um Besucher anzuziehen. Tiere werden hier zum Unterhaltungsinstrument und dabei wird übersehen, dass sie eigenständige Lebewesen mit Bedürfnissen sind.
Auch wenn die Zoos versuchen, immer artgerechtere Käfige zu bauen, so bleiben es Versuche. Denn auch größere, buntere Gehege sind Käfige, in denen viele Spezies ihren natürlichen Bedürfnissen und ihren Instinkten nicht folgen können. Das wiederum führt teilweise zu Verhaltensauffälligkeiten oder verkürzten Lebenserwartungen: Laut VEBU liegt die durchschnittliche Lebenserwartung der Zooelefanten bei 17 Jahren, in freier Natur bei 54 Jahren, mehr als dreimal so lang. Natürlich gibt es einige Tiere, die sich bestimmt etwas besser mit der Gefangenschaft arrangieren können und Zoos, die etwas bessere Gehege haben als andere. Einige Tiere leiden extrem, andere passen sich an die Umstände an. So oder so: Was gibt uns das Recht, sie als Unterhaltungsinstrument zu nutzen?
Sind wir so verschieden?
Viele Menschen scheinen nicht zu sehen, dass die anderen Tiere sich gar nicht so stark vom Menschen unterscheiden. Ich schreibe bewusst „andere Tiere“, da auch der Mensch per Definition biologisch ein Tier ist und die Unterschiede sehr viel geringer ausfallen, als wir es uns oft einreden. Der Mensch hat sich selbst eine Sonderposition zugesprochen und sich Rechte gegeben, die er anderen Lebewesen verwehrt.
Auf der einen Seite haben wir biologisch so viele Parallelen zum Tier, dass wir davon ausgehen müssen, dass sie zumindest ähnliche Empfindungen haben. Auf der anderen Seite wissen wir so wenig darüber, was in den Köpfen der Tiere vorgeht, dass wir ihnen mit großer Vorsicht begegnen sollten. Beides sollte uns dazu bewegen, die Tiere nicht schlechter zu behandeln als andere Mitmenschen.
Schon der französische Philosoph Michel de Montaigne schrieb in seinen Essais: „Wenn ich mit meiner Katze spiele, wer weiß, ob sie sich nicht noch mehr mit mir die Zeit vertreibt als ich mir mit ihr?“ Wir können Tiere erforschen und beobachten, Schlüsse ziehen und Theorien erstellen. Doch sicher wissen, wie sie empfinden, ob und wie sie denken, das können wir nicht. Wir sollten also davon ausgehen, dass sie sind wie wir. Wie kann es dann noch gerechtfertigt sein, dass wir Tiere so behandeln?
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Der Lebensinhalt des Tieres ist nicht die Unterhaltung des Menschen
Es ist nicht Sinn und Zweck der Tiere, unserer Bildung, unserer Forschung oder unserem Vergnügen zu dienen. Wir müssen realisieren, dass Tiere eigenständige Lebewesen sind, die ganz eigene Bedürfnisse haben und uns selbst fragen, ob wir unterstützen wollen, dass sie eingesperrt werden. Die Tiere gehören uns nicht. Wir stehen nicht über ihnen. Wenn, dann sind sie Begleiter, nie Besitz. Und die Gehege im Zoo machen sie zu nichts anderem als unserem Besitz. Auf die Frage, ob es noch gerechtfertigt ist, in den Zoo zu gehen, muss jeder seine eigene Antwort finden. Ich habe meine gefunden: Nein, es gibt keine Rechtfertigung. Und wie der Theologe und Tierschützer Prof. Dr. Erich Gräßer schon sagte: „Tierschutz ist kein Anlass zur Freude, sondern eine Aufforderung, sich zu schämen, dass wir ihn überhaupt brauchen.“