20. November 2017, 14:19 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Apathisch liegen sie da, bewegen sich kaum, ihr Blick ist leer: Die in sogenannten Tigertempeln, Zoos oder anderen touristischen Einrichtungen zur Schau gestellten Großkatzen verbringen ihren Tag damit, als Fotomotiv für Touristen herzuhalten. TRAVELBOOK über eine fragwürdige Attraktion in Thailand.
Von den berühmten Tigertempeln und -zoos in Thailand und anderen südostasiatischen Ländern haben viele schon einmal gehört. Der ein oder andere hat einen solchen Ort vielleicht sogar schon mal selbst besucht. Hier kann man Tiger sehen, ganz nah, sie sogar anfassen und Selfies mit ihnen machen. Und das alles auch noch zum Wohl der Tiere, so heißt es, weil mit den Eintrittsgeldern für Futter und gute Verpflegung gesorgt werden kann.
Dass diese majestätischen Kreaturen aber alles andere als ein schönes Leben führen, weiß so manch ein Tourist, der einen Selfiestick hält und in die Kamera seines Handys lächelt, nicht. Die Tempel und Farmen sind für die Tiger meist die reinste Qual: Die Tiere werden oftmals gefügig gemacht, ihre Babys getötet. Sie sind für die Besitzer nicht mehr als Ware. TRAVELBOOK hat mit WWF-Expertin Kathrin Hebel über das Leben der Tiger gesprochen.
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„Wer die Tempel unterstützt, unterstützt das Leid der Tiger“
„Wo immer Tiger gestreichelt werden können, stimmt etwas nicht“, meint Hebel. Tierschützer werfen den Mönchen der Tigertempel vor, die Tiere zu betäuben und gefügig zu machen. Sie werden als zahme Kätzchen präsentiert und nicht als die wilden Tiere, die sie sind.
Die Tiger würden laut Hebel in den Tempeln entfremdet werden. Bei vielen der geretteten Tiger sei das Auswildern unmöglich geworden, da sie nach der Gefangenschaft nicht mehr in der Lage seien, rohes Fleisch zu essen – das aber sei essenziell für ihr Überleben in der Wildnis. „Wer die Tempel unterstützt, unterstützt das Leid der Tiger“, meint die WWF-Expertin. Durch die Besuche in diesen Tigerfarmen würde das grausame Geschäft nur gefördert. Geholfen werde nicht den Tieren, sondern nur den Menschen, die aus ihnen Profit schlagen.
Für den Aberglauben getötet
Auch Tigerbabys würden auf grausame Weise zu Geld gemacht, meinen Tierschützer. Laut dem WWF und der Umweltschutzorganisation Cee4life werden sie getötet und eingefroren, um später nach China geschickt zu werden. Dort würden sie zu „Medikamenten“ verarbeitet. Die gemahlenen Knochen der Jungtiere sollen im chinesischen Aberglauben Vitalität und Gesundheit bringen. In Alkohol eingelegt wird ihnen eine aphrodisierende Wirkung zugeschrieben – ein Aberglaube.
Ein Fall erregte 2016 Aufsehen, als die thailändische Regierung auf konstantes Drängen verschiedener Naturschutzorganisationen den Tempel Wat Pa Luangta Maha Bua in Zentralthailand unangekündigt durchsuchte, wie unter anderem BILD und die „New York Times“ berichteten: Neben Tiger-Körperteilen wurden 40 tote Tigerbabys gefunden. Auch wurde einer der Mönche dabei erwischt, wie er versuchte, Tiger-Amulette und Körperteile vor der Razzia aus dem Tempel zu schmuggeln. Dieser Tigertempel ist nun geschlossen, doch zahlreiche weitere sind noch immer geöffnet, weiß Hebel.
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Denn wie so oft bei illegalem Handel fasst die Regierung nur die Mittelsmänner, an die wirklich mächtigen Drahtzieher kommt sie kaum heran. Tierschützer warnen, dass man mit dem Besuch in solchen Tigertempeln auch die Verbrechen hinter den Mauern der Einrichtungen unterstützen würde.
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Es gibt Alternativen
Dabei gibt es gute Alternativen, wenn man sich Tiger ansehen möchte. In Indien und Nepal gibt es sogenannte Tiger-Reservate, in denen man geführt Tiger in freier Wildbahn beobachten kann. In einer Gruppe werden Naturliebhaber von Einheimischen durch das Reservat gefahren. Die Einwohner wissen, wo die Tiger sich aufhalten, und so kommt es, dass man bei den meisten dieser Touren auch einen Tiger zu Gesicht bekommt.
„Die Reservate verhelfen den Einwohnern zu einem nachhaltigen Einkommen“, erklärt WWF-Expertin Hebel, „wodurch die Einwohner davon absehen, die Tiger zu wildern – denn ein nachhaltiges Einkommen ist lukrativer für die Menschen, als die Tiger zu wildern und zu verkaufen.“ Ein weiterer positiver Aspekt der Reservate sei, dass sie die Touristen bündeln, wodurch die Reservate nicht überrannt werden. In betroffenen Gebieten habe sich die Tigerzahl nachweislich erhöht, sagt Hebel.
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Offenbar wächst das Bewusstsein für das Thema: So hat sich zum Beispiel das Datingportal Tinder inzwischen gegen die Nutzung von Tigerbildern ausgesprochen, wie unter anderem die „Washington Post“ berichtet. „Neben dem König des Dschungels zu posieren, macht dich nicht selbst zu einem“, heißt es in einem Blogeintrag von Tinder. Darin werden die Nutzer darum gebeten, der Welt zu zeigen, wie sehr ihnen „unsere Umwelt und ihre Bewohner am Herzen liegen“. Zum Beispiel, indem sie ein Foto einstellen, auf dem sie einen Baum pflanzen oder ehrenamtlich in einem Tierheim arbeiten.
Wer also demnächst mal wieder in Thailand ist: Keinen Tigertempel besuchen – den Tieren zuliebe!