20. Juli 2021, 14:18 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Der Bahnhof von Canfranc, einem spanischen Ort unweit der Grenze zu Frankreich, war einst einer der glanzvollsten auf der ganzen Welt. Er verband Spanien und Frankreich über eine spektakuläre Strecke durch die Pyrenäen. Dann kamen Krisen, Kriege und eine Zugkatastrophe. Jahrzehntelang stand der Bahnhof still. Doch jetzt soll der Geisterbahnhof neues Leben eingehaucht bekommen – in Form eines Luxushotels.
Wer sich in den spanischen Pyrenäen an der Grenze zu Frankreich in das kleine Nest Canfranc verirrt, den erwartet eine beeindruckende Reise in die Vergangenheit – eine Reise, die vom Glanz einer alten Eisenbahnstation erzählt, die einst zwei Länder über eine einmalige Strecke verband. Einst war die Estación Internacional de Canfranc einer der größten und prunkvollsten Bahnhöfe auf der ganzen Welt. Dann wurde er zum Geisterbahnhof, mehr als 50 Jahre lang fuhr hier kein Zug mehr.
Doch jetzt gibt es neue Pläne für die Estación Internacional de Canfranc: Wie die britische Zeitung „Independent“ berichtet, wird das schmucke Bahnhofsgebäude in ein 5-Sterne-Hotel umgewandelt. Der 27 Millionen teure Umbau soll demnach bis Ende 2022 fertiggestellt sein. Neben einem Konferenzzentrum mit 200 Plätzen, einem Eisenbahnmuseum und Geschäften wird in dem Komplex auch eine Pilgerherberge entstehen. Denn Canfranc liegt an einem der Pilgerwege nach Santiago de Compostela.
Die bewegte Geschichte des Bahnhofs von Canfranc
Als die Eisenbahnstation 1928 nach mehr als 20 Jahren Bauzeit feierlich eröffnet wurde, war sie ein ehrfurchteinflößendes Zeugnis einer neu heraufziehenden Zeit. Ein 241 Meter langer Koloss mit drei Stockwerke hohen Decken, unzähligen Türen und noch mehr Fenstern. Er war das Herzstück einer gerade erst eröffneten Strecke zwischen Spanien und Frankreich, die in jahrzehntelanger Schwerstarbeit den unwegsamen Bergen der Pyrenäen abgetrotzt worden war.
Ein Mega-Projekt unter schlechtem Stern
Unter den illustren Gästen bei der Einweihung damals waren der spanische König Alfons XIII. sowie der französische Staatspräsident Gaston Doumergue. Fortan sollte der Bahnhof von Canfranc das französische Pau mit dem spanischen Saragossa verbinden. Es war ein Mega-Projekt auf einer Route, die laut der Seite „Forbidden Places“ unter anderem über mehr als 80 Brücken, zahlreiche Viadukte und durch Tunnel führte, der längste davon maß für damalige Zeiten unglaubliche acht Kilometer.
Das Projekt stand jedoch von Anfang an unter keinem guten Stern. Bereits 1929 schlug weltweit die Wirtschaftskrise unbarmherzig zu, vernichtete rund um den Globus zahllose Existenzen und trug ihren Teil dazu bei, dass die Zugstrecke schnell unprofitabel war. 1936 brach schließlich der spanische Bürgerkrieg aus. Sowohl in Spanien als auch in Frankreich wurden laut „El Pensante“ immer wieder Teile der Strecke in die Luft gesprengt. So wollte man das Franco-Regime daran hindern, per Zug seine Truppen zu verschieben.
Nazi-Gold und eine Zugkatastrophe
Während des Zweiten Weltkrieges erlebte der Bahnhof von Canfranc dann wiederum eine bewegte Zeit. Zahllose Menschen nutzten die Zugstrecke von Pau nach Saragossa zur Flucht vor den Nazis. Den Nazis diente die Station dazu, Gold nach Spanien und Portugal zu verfrachten, für welches sie im Austausch kriegswichtige Rohstoffe wie Wolfram erhielten. Als Deutschland schließlich besiegt war, flüchteten wohl nicht wenige hochrangige Funktionäre über den Bahnhof Canfranc, um ihrer Strafe zu entgehen.
Ab 1948 nahm die Strecke dann ihren Betrieb wieder auf, war jedoch auch in den Folgejahren nicht profitabel. Das Ende kam am 27. März 1970, als ein mit 320 Tonnen Mais beladener Güterzug auf dem französischen Teil der Strecke entgleiste. Obwohl niemand verletzt wurde, nahm die französische Bahngesellschaft SNCF den Unfall zum Vorwand, die ohnehin ungeliebte, weil unrentable Strecke endgültig einzustellen.
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Seit 2014 wird der Bahnhof sukzessive restauriert, denn er ist längst zu einer Touristenattraktion geworden. Und nun soll hier also ein Luxus-Hotel der Extraklasse entstehen. Zudem wird der Komplex laut „Independent“ auch einen neuen, renovierten Bahnhof umfassen. Damit dürften die Zeiten der Estación Internacional de Canfranc als Geisterbahnhof endgültig vorbei sein.