23. September 2020, 11:42 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Es ist schon ein unheimlicher Anblick, der sich Besuchern am zur Inselgruppe Ten Thousand Islands gehörenden Cape Romano in Florida bietet: Mitten im Meer stehen hier mehrere kuppelartige Gebäude, ihr Zustand ist desolat. Was hat es mit diesen eigentümlichen Häuschen, die an Ufos erinnern, auf sich? TRAVELBOOK erzählt ihre tragische Geschichte.
Auf Marco Island im Südwesten von Florida reiht sich eine Luxusvilla an die nächste, und der lange Sandstrand wird von schicken Hotels gesäumt. Wer die dicht besiedelte Insel dann in südlicher Richtung verlässt, etwa bei einer Bootstour durch die Ten Thousand Islands, trifft schon bald auf keine Menschenseele mehr: Fast alle Inseln dieses artenreichen Naturparadieses sind unbewohnt. Umso ungewöhnlicher ist der Anblick, der sich dann plötzlich vor dem Cape Romano auf Marco Island auftut: Aus dem Meer ragen sechs seltsame weiße Kuppeln hervor, sie stehen auf Stelzen. Fast wirken sie wie die zurückgebliebene Kulisse aus einem „Star Wars“-Film; manch einer vergleicht sie auch mit Ufos oder Iglus.
Der Zustand der seltsamen Kuppelhäuser, der „Dome Houses“, ist erbärmlich: Überall bröckelt der Putz, die Außenwände sind mit Graffiti beschmiert, und auf den Dächern haben Wasservögel ihren Dreck hinterlassen. Es ist das traurige Ende einer Geschichte, die als Lebenstraum begann und in einem finanziellen Desaster endete.
Dome Houses in Florida waren als Feriendomizil gedacht
Bob Lee, ein reicher Ölproduzent, kaufte Ende der 1970er-Jahre ein Stück Land am Cape Romano, um dort für sich und seine Familie ein Ferienhaus zu bauen. Wie das Onlineportal „Abandoned Florida“ berichtet, ließ er das Haus in Form von sechs miteinander verbundenen Kuppeln errichten. Es basierte auf kompletter Selbstversorgung, Solarmodule versorgten die Kuppeln mit Strom, und in einer großen Zisterne unter der Hauptkuppel wurde der Regen aufgefangen, der als Trinkwasser und zum Duschen diente. Die runde Form wählte Lee auch, weil sie ein besserer Schutz gegen die in der Gegend häufiger vorkommenden Hurricanes waren.
1982 war das luxuriöse Ferienhaus-Ensemble fertiggestellt, es verfügte über drei Schlafzimmer und drei Badezimmer. Große Fensterfronten sorgten für einen traumhaften Blick auf das Meer, das damals noch Dutzende Meter weit von den Häusern entfernt war, wie alte Aufnahmen zeigen:
Der Untergang der Dome Houses im Golf von Mexiko
Nachdem sie kurzzeitig dort gewohnt hatten, verkaufte die Familie das Anwesen der Zeitung „Coastal Breeze News“ zufolge schon 1984 wieder, es soll damals etwa 1,5 Millionen Dollar wert gewesen sein. Als der neue Eigentümer in finanzielle Schwierigkeiten geriet, kauften die Lees das Haus im Jahr 1987 wieder zurück und lebten dort bis in die frühen 1990er-Jahre. 1992 wütete Hurrikan „Andrew“ in Florida und traf auch die Kuppelhäuser. Während die Außenwände kaum einen Kratzer davontrugen, nahm das Innere großen Schaden, weil der Sturm die Fensterscheiben hatte zerbersten lassen.
Durch diesen und andere Stürme veränderte Caxambas Island nach und nach ihr Aussehen, immer mehr Strand wurde weggewaschen, das Meer rückte näher und näher. Zwei andere Häuser auf derselben Insel versanken irgendwann im Wasser und wurden unbewohnbar. Nach „Andrew“ hatte die Familie Lee ihr Dome House noch einmal aufwändig renoviert, musste es aber schließlich doch endgültig aufgeben.
Trotz dieser unheilvollen Vorgeschichte wagte sich Jahre später noch einmal jemand an die Kuppelhäuser: Für 300.000 Dollar kaufte ein Mann namens John Tosto der Familie Lee das Anwesen im Jahr 2005 ab, um es wieder in einen bewohnbaren Zustand zu versetzen. Schon früh hatte Bob Lee dem neuen Eigentümer geraten, eine Strandmauer zum Schutz des Hauses zu errichten. Doch John Tosto ignorierte diesen Hinweis und plante stattdessen, die Kuppelkonstruktionen weiter an Land zu versetzen. Er pumpte Unmengen Geld in sein Vorhaben, doch letztlich war alles vergebens: Die örtlichen Behörden entschieden aus Umweltschutz- und Sicherheitsgründen, dass Tosto das Dome House bis 2007 abreißen müsse. Als er der Forderung nicht nachkam, erhielt er eine Geldstrafe von 187.000 US-Dollar und hatte am Ende fast eine Million US-Dollar an seinen großen Traum verloren.
Entfernt wurde das Dome House indes nie, weshalb es noch heute am Cape Romano steht, inzwischen komplett umspült vom Meer. „Es würde meinem Vater das Herz brechen, es so sehen“, sagte seine Tochter in einem Interview mit „Coastal Breeze News“. „Aber er hat vor seinem Tod immer gesagt, dass es ihm das wert war für die Zeit, die er es haben durfte.“
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Die Florida Dome Houses heute
Inzwischen hat sich das Meer bereits selbst einen Teil der Konstruktion einverleibt: Zwei der Ufo-Häuser sind durch den verheerenden Hurrikan „Irma“ zerstört worden und ins Wasser gestürzt. Und auch von den heute noch bestehenden vier Häusern sieht zumindest eines so aus, als würde es nicht mehr sehr lange über dem Wasser sichtbar sein.
Etwas Positives gibt es am Ende aber doch noch zu berichten: Auch ohne menschliches Zutun sind die Stelzen und die versinkenden Gebäude unter Wasser zu einem künstlichen Riff geworden, die das Wachstum neuen marinen Lebens begünstigen. Cynthia Mott, Redakteurin bei der „Florida Weekly“, war dort schnorcheln und beschrieb ihre Erfahrungen wie folgt: „Ich war schon auf Grand Cayman, in Mexiko und auf Fidschi schnorcheln, aber ich habe noch nie eine vielfältigere und dichtere Konzentration an Unterwasserleben gesehen als das, was sich unter den Überresten dieser Kuppeln angesiedelt hat.“