12. September 2017, 11:24 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Gefängnisse – und sei es, dass man sie nur von außen sieht – können ein beklemmendes Gefühl in einem auslösen, sie zu betreten umso mehr. Der Fotograf Romain Veillon wagte sich an genau so einen Ort, machte Fotos von einem Gefängnis, das seit vielen Jahren leersteht. Was er dort entdeckte, und was es in ihm ausgelöst hat, verrät er im Gespräch mit TRAVELBOOK.
Es ist ein schauriger Ort, den Romain Veillon im Norden Frankreichs fotografiert hat. Ein Gefängnis, in dem bis vor wenigen Jahren noch rund 370 Menschen inhaftiert waren. 2011 öffneten sich die Türen der Zellen. Nicht aber, weil alle Gefängnisinsassen in die Freiheit entlassen wurden, sondern weil das Gebäude baufällig war und geschlossen werden musste. Die Insassen wurden zum Teil auf andere Gefängnisse verteilt, hier sitzt zumindest heute keiner mehr seine Strafe ab, das Gebäude ist verlassen.
Zwar ist es für Veillon ein besonderer Ort, aber kein besonderes Gefängnis, wie er im Interview mit TRAVELBOOK sagt: „Ich glaube, dass dieses Gefängnis in etwa so wie alle anderen war. Es sind alles Orte, wo Menschen wegen ihrer Verbrechen inhaftiert sind, was immer eine mehr oder minder befremdliche und beängstigende Atmosphäre schafft.“ Und dennoch gab es eine Sache, die Veillon unglaublich fand: Man konnte die Fernstraße von den Fenstern der Zellen aus sehen. „Das bedeutet, dass sie (die Inhaftierten, Anm. d. Red.) ununterbrochen die ‚Symbole‘ der Freiheit sehen konnten und davon träumten, in einem der Autos zu sein“, so der französische Fotograf im Interview.
»Ein Ort voller Leid und Schmerzen
Obwohl Veillon schon viele „Lost Places“, verlassene Orte, fotografiert hat, war es für ihn das erste Gefängnis – „und es hat sich sehr von allen Orten unterschieden, an denen ich zuvor war“, sagt der Fotograf. Bis dato hätte er nur verlassene Gebäude fotografiert, in denen Menschen zuvor lebten, arbeiteten, beteten, spielten oder auch geheilt wurden. „Das ist der einzige Ort, an dem es so viel Schmerz und Leid gab“, sagt Veillon. „Ich war dort, als es noch ziemlich unberührt war, also war es wie in einem Film, man hat alle Räume erkundet und genau verstanden, was wo getan wurde.“
In einer Zelle hing zum Beispiel ein großformatiges Poster an der Wand, auf dem ein weißer Strand, das türkisfarbene Meer und unzählige Palmen zu sehen war. Man könnte meinen, dass es innerhalb der Gefängnismauern eine Art Zufluchtsort, an dem man wenigstens für einen Moment von der Freiheit träumen konnte. Sich lange hier aufhalten, wollte Romain Veillon aber nicht, es habe sich angefühlt, als würden dort Geister herumspuken, sagt er.
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Winzige Zellen voller Dreck
Neben dem Strandposter waren es auch andere Dinge, die etwas über die einst Inhaftierten erzählten – Poster und Sticker von und über Autos, Frauen und Fußball zum Beispiel. „Dadurch bekam man persönliche Informationen über ihr Leben und ihre Leidenschaften“, erzählt Veillon. „Man konnte fast schon ihre Anwesenheit spüren.“
Doch nicht nur das löste in Romain Veillon ein mulmiges Gefühl aus, auch die Größe und Beschaffenheit der Zellen: „Ich glaube, alle Zellen der Inhaftierten waren Orte, an denen man sich ziemlich unwohl gefühlt hat. Sie waren so winzig und dreckig, dass man nur wenige Minuten, nachdem man sie betreten hat, wegen des Platzmangels das Gefühl hatte, zu ersticken.“
Noch mehr verlassene Ort gibt es auf „Lost Places“
Weitere Geisterorte findet man in Romain Veillons erst kürzlich veröffentlichten Buch „Ask the Dust“ sowie auf seinem Instagram-Account.