21. April 2016, 11:03 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Es gilt als typisch deutsch: das Reservieren der Hotelliege am Pool mit einem Handtuch. Aber warum tun das so viele? Eine Expertin sagt: Das Verhalten stammt aus dem Tierreich.
Manch einer mag es für ein Klischee halten oder es gar als Erfindung bzw. Mythos abstempeln – bis er seinen ersten Cluburlaub macht und erlebt, dass es wirklich so ist: Vorzugsweise Deutsche belegen Liegestühle frühmorgens mit Handtüchern. Kommt man nach dem Frühstück zum Pool, sind die ersten Reihen schon alle belegt – auch wenn kaum einer da ist. Wenn man noch später eintrifft, muss man oft auf einen Liegestuhl verzichten. Menschen liegen da zwar nicht, aber eben diese Platzhalter.
„Dieser unsägliche Egoismus“
Um das Problem anzugehen, haben einige Clubs ein Kärtchen-System eingeführt: Jeder Gast bekommt eins und kann damit dann eine Liege reservieren. „Denn das Problem ist ja nicht das Ehepaar, das sich zwei Liegen reserviert, sondern das Ehepaar, das sich zwei Liegen im Schatten reserviert, zwei Liegen am Strand, zwei Liegen in der Nähe vom Pool – für jede Situation des Tages, je nachdem wo die Sonne steht“, sagt Anne Schmidt, Pressesprecherin von DER Touristik in Köln. „Das ist dieser unsägliche Egoismus.“
In vielen Hotels darf man erst nach acht Uhr Liegen reservieren. Wie ein von Briten eingestelltes YouTube-Video dokumentiert, kann dies allerdings dazu führen, dass die deutsche „Beach Towel Brigade“ (Badehandtuch-Brigade) um Punkt acht Uhr nach draußen schnellt und binnen zwei Minuten alle Liegen für sich reklamiert.
In der britischen Presse gilt es seit Jahren als ausgemacht, dass die eifrigen Teutonen auf diesem Feld nicht zu schlagen sind, weil sie viel früher aufstehen als die Briten. Die Wissenschaft sagt allerdings etwas anderes. Der Münchner Psychologe Prof. Till Roenneberg hat zusammen mit der Universität Oxford die innere Uhr von Deutschen und Briten verglichen. Das Ergebnis: Beide Nationen stehen im Urlaub durchschnittlich um 9.20 Uhr auf. „Am Pool sind sie zur gleichen Zeit“, stellt Roenneberg klar.
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„Man markiert seinen eigenen Platz und behauptet ihn“
Für Prof. Andrea Abele-Brehm, ab September Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, ist das Belegen der Liegen typisches Territorialverhalten. „Das finden wir schon im Tierreich, wenn die Tiere ihr Gebiet mit Urin markieren“, erläutert die Sozialpsychologin der Universität Erlangen-Nürnberg. „Und bei Menschen finden wir das auch. Beispielsweise: Sie gehen in ein Restaurant und wollen nochmal eben zur Toilette, bevor Sie bestellen, dann markieren Sie Ihren Platz auch schon mal, indem Sie die Tasche hinlegen oder die Serviette umdrehen.“ Das Verhalten habe sich in der Evolution herausgebildet und stecke dementsprechend tief drin: „Man markiert seinen eigenen Platz und behauptet ihn.“
Dazu kommt ein Streben nach Kontrolle und Sicherheit: Das Handtuch auf der Liege garantiert den bevorzugten Platz und damit einen reibungslosen Tagesablauf. Und dann gibt es noch einen besonders interessanten Aspekt: In den meisten Club- und Hotelanlagen benutzen die Gäste zum Blockieren der Liegen keine eigenen Badehandtücher, sondern die des Hotels. Diese Handtücher sehen alle gleich aus. „Das ist also ein Unterschied zum Tierreich, wo das Revier mit dem eigenen Urin markiert wird, wo man also eine ganz persönliche Duftspur hinterlässt“, erläutert Abele-Brehm. „Oder auch zur Situation im Restaurant, wo man die Tasche auf den Platz legt.“
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Liegen zu reservieren, gilt mittlerweile als spießig
In der Clubanlage wäre im Grunde nie zu beweisen, wer nun genau welche Liege reserviert hat – die Handtücher sind ja austauschbar, gleiche Farbe, gleiche Größe. Trotzdem hält man sich dran und akzeptiert, wenn eine Liege mit einem Handtuch belegt ist. „Es ist eine kulturelle Gepflogenheit“, analysiert Abele-Brehm. „Und das ist vielleicht durchaus ein bisschen deutsch: Ordnung und Regeln anerkennen – selbst wenn das Hotel sie nicht erlassen hat.“
Allerdings nimmt es nach Beobachtung der Psychologin langsam ab: „Es gilt mittlerweile doch als ziemlich spießig, vor allem in etwas besseren Hotels.“