1. Februar 2017, 13:43 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Lençois Maranhenses heißt die fantastische Dünenlandschaft im Norden Brasiliens – zu Deutsch: „Bettlaken“ von Maranhão. Denn von oben betrachtet wirken die Dünen wie riesige weiße Tücher, die sich über das Land legen. Von hier führt die „Rota das Emoções“ zum legendären Strand von Jericoacoara. Und diese Tour macht ihrem Namen alle Ehre: Auf der Route der Emotionen werden tatsächlich die verschiedensten Gefühle freigesetzt. Eine Reise nach Gefühlsbarometer.
Als Buna über seine Heimat spricht, bekommt er feuchte Augen. Das würde nicht weiter verwundern, läge sie etwa am anderen Ende der Welt und er müsste sie schmerzlich vermissen. Aber nein, Buna ist nicht fern seiner geliebten Heimat. Er steht mittendrin.
Genauer: in dem kleinen Garten seiner Pension, der Rancho do Buna, die er hier in Atins vor einigen Jahren aufgebaut hat. Und dekoriert hat mit Palmenblättern und Mangrovenwurzeln, die zuweilen als Tisch herhalten. Wir ahnten ja, dass auf der „Route der Emotionen” Gefühle reichlich sind und vielfältig. Aber wie nennt man das, was den massigen Mann vor uns gerade überwältigt? Heimweh in der Heimat? Heimatliebe? Das Glück des Maranhensers?
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Staunen über die Wüste
Auch wenn man Bunas Gefühle vielleicht nicht benennen kann, so doch zumindest verstehen. Denn der Ort, an dem er lebt, ist einzigartig schön. Lençois Maranhenses heißt die unwirkliche Dünenlandschaft im Norden Brasiliens – zu Deutsch: „Bettlaken“ von Maranhão. Denn von oben betrachtet wirken die Dünen wie riesige weiße Tücher, die sich über das Land legen und dabei leichte Dellen machen, so wie die Laken in einem soeben benutzten Bett. Eine unwirkliche Naturschönheit sind die Lençois Maranhenses: vom Wind zusammengeweht, vom Regen mit Wasser gefüllt, vom Besucher mit Staunen betrachtet.
Ewig möchte man durch den Sand stapfen, Dünen hochklettern und wieder herunterrutschen, ins Wasser springen und sich dort treiben lassen. Und theoretisch könnte man es wohl auch: Bis zu 40 Kilometer ziehen sich die Dünen vom Meer ins Hinterland, 80 Kilometer entlang der Küste. 1981 wurden 155 000 Hektar Sandberge zum Nationalpark erklärt.
Doch für Touristen ist nur ein kleiner Teil davon zugänglich: Die beiden Seen in der Südostspitze, Lagoa Azul und Lagoa Bonita, und ein Teil im Norden, dort wo sich die letzten Dünen vor dem Meer aufbäumen – und wo Buna seine Pension betreibt. Dessen Gefühle sind uns inzwischen übrigens reichlich egal, wir haben genug mit unseren eigenen zu tun: Fasziniert sind wir, überrascht und überwältigt, vergnügt und – glücklich.
Allerdings: Das soll sich bald ändern.
Auf der „Rota das emoções“ an der Küste entlang
Die „Rota das Emoções“ verbindet die touristischen Highlights der Küste im Norden Brasiliens – die Lençóis Maranhenses, das Parnaiba-Flussdelta und den Strand von Jericoacoara, allesamt aufregende Orte. Doch auch der Weg zwischen den Stationen ist ein Abenteuer, das viele Gefühle freisetzt. Mal auf Buckelpisten, mal quer durch die Dünen geht es, selten auf richtigen Straßen.
Bis Parnaiba nehmen wir einen Jeep, der uns die andere Seite der Rota das Emoções beibringt: „Com emoção“ sagen die Anbieter von Jeeptouren dazu, wenn es auch mal etwas gewagter zur Sache geht. Und so fliegen wir über die Huckel, rasen durch Flüsse und Sandberge und kämpfen währenddessen mit den unterschiedlichsten Emotionen: mit Euphorie und Sorgen, mit Angst und Adrenalinschüben, mit Zuversicht und Zweifel. Als wir unser Ziel endlich erreicht haben, nur noch ein Gefühl: Erleichterung.
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Im drittgrößten Flussdelta der Welt
Das Delta do Parnaíba ist das angeblich drittgrößte Flussdelta der Welt. In einer kleinen Barkasse geht es zur Mündung des Parnaíba-Flusses in den Atlantik. Gemächlich tuckert das Boot durch schmale Wasserarme. Mangroven säumen die Ufer: mit Wurzeln wie Äste, als hätte man den Baum mit der Krone nach unten ins Wasser gesteckt.
Doch dann verlässt das Boot die geschützten Wasserarme, begibt sich hinaus auf das offene Meer – und der Kahn gerät ganz schön ins Wanken. „Com emoção“, mal wieder. Ständig flutscht eine Welle über Bord, gerät das Boot ordentlich in Schräglage. Doch wir kommen unbeschadet an. Vor einer Landzunge klettern wir an einen unberührten, menschenleeren Strand, an dem alle Sorgen sofort vergessen sind – und ganz anderen Gefühlen Platz machen.
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Auf dem Weg an den legendären Strand Jericoacoara
Für die Strecke von Parnaíba nach Jericoacoara nehmen wir öffentliche Verkehrsmittel. Busse verkehren in dem Sand natürlich nicht, dafür aber Jeeps mit verschraubten Brettern auf der Ladefläche. Rückenlehnen gibt es nicht und so suchen wir hilflos Halt. Mit uns an Bord: 18 Einheimische und zwei weiße Hühner in einem Käfig.
Doch statt wie richtige Einheimische fühlen wir uns dem Geflügel merkwürdig nah: Eingezwängt einer ungewohnten Situation ausgesetzt, phänotypisch etwas heller als der Rest; und auch wir gackern aufgeregt, wenn der Fahrer mit Verve einen Sandhuckel nimmt und uns von der Stange hüpfen lässt – in einer Sprache, die außer uns niemand versteht.
Nach ein paar Zwischenstopps, weiteren Jeepfahrten und einer abenteuerlichen Flussquerung auf winzigen Floßen, die den Tonnen schweren Gefährten kaum gewachsen zu sein schienen und nicht nur beim Autobesitzer gewisse Gefühle freisetzten, sind wir am Ziel: Jericoacoara. Je-ri-coa-coa-ra. Der Name geht uns alles andere als locker über die Lippen. „Ganz einfach: Je-ri-coa …,“ lehrt uns nette Mann in unserer Pousada, „ach, sagt doch Jeri. Machen sowieso alle.“ Und entspannen sollen wir uns. Das machen hier auch alle.
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Nichts fällt leichter. Denn Hektik oder Schnelligkeit wird ohnehin im Sand erstickt. Der liegt hier nämlich nicht nur am Strand, sondern hat den ganzen Ort ausgelegt, sogar in den Geschäften macht er sich breit – und bremst jeden aus, der ein bisschen zügiger vorankommen will.
Bob, der Australier, versucht es gar nicht erst. Er steht vor einer Bar und zeigt auf die Hunde im Schatten, die man Straßenhunde nennen würde, wenn, ja, wenn es hier denn Straßen geben würde. Schau, sagt Bob, wie gesund die aussehen. Und dass es immer etwas über einen Ort aussage, wie es den Hunden gehe. „Das hier“, schließt Bob, „ist ein guter Ort.“
Das wird dem Reisenden spätestens dann klar, wenn sich die Sonne anschickt, am Horizont ins Meer zu tauchen und plötzlich Bewegung in die träge Masse kommt. Dann zieht es die Sportlichen zu den Volleyballnetzen und die Romantiker auf die Düne. Mit eisgekühlten Bierflaschen in den Händen erklimmen sie den großen Sandberg, um sich – oben angekommen – einen Platz gleich an der Kante zu sichern und damit den besten Blick auf den Strand. Auf die Capoeira-Kämpfer, die Reiter, die Fischerboote – die Sonne am Horizont. Verliebte liegen sich in den Armen, Freunde prosten sich zu, jemand macht Musik.
Zieleinlauf der Emotionen.
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Die „Rota das Emoções“
Der Zusammenschluss: Seit 2005 vermarkten die drei Bundesländer Maranhão, Piauí und Ceará gemeinschaftlich ihre touristischen Naturwunder – die Lencois Maranhenses, das Delta von Parnaíba und den Strand von Jericoacoara – als „Rota das Emoções”.
Pauschal oder individuell: Reiseveranstalter bieten entsprechende Touren an. Man kann sich aber auch einfach einen Jeep mieten und losfahren. Wer es abenteuerlich mag, nimmt die öffentlichen Verkehrsmittel.
Unbedingt beachten: Die Entfernungen sind nicht zu unterschätzen, von einer Station zur nächsten braucht man zuweilen Tage. Eine gute Reiseplanung, vor allem der Zwischenunterkünfte, ist sinnvoll. Nicht überall gibt es Pousadas und Hotels, und oft sind diese in einem sehr einfachen Zustand.
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Die Highlights der „Rota das Emoções“
São Luís: Anreise über den Flughafen São Luís und Start der Tour. Die Stadt ist bekannt für eine sehr lebendige Reggae-Szene und das hübsche Zentrum, das seit 1997 Unesco-Weltkulturerbe ist.
Die Lençóis Maranhenses: Die Wüste Brasiliens liegt etwa 250 Kilometer südwestlich von São Luís. Sie zieht sich etwa 80 Kilometer an der Küste entlang und 10 bis 30 Kilometer ins Landesinnere.
Das Flussdelta von Parnaiba: Das drittgrößte Flussdelta der Welt – nach Mekong und Nil – hat einen Durchmesser von ca. 100 Kilometern.
Der Strand von Jericoacoara: Der Strand ist eine Legende, einst Hippi-Paradies, heute Ferienort. Jericoacoara liegt 300 km westlich von Fortaleza.
Fortaleza: Hauptstadt des Bundesstaates Ceará und touristisches Zentrum mit zahlreichen Stränden und Hotels. Hier endet die Tour, Rückflug vom Flughafen Fortaleza.