6. September 2017, 18:10 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Entlang der Straße Interstate-10 in Arizona werden Reisende seit Jahrzehnten Zeuge einer Kuriosität: Hunderte von riesigen Reklame-Tafeln, die Besucher der Gegend für eine Attraktion begeistern sollen, die einfach nur „The Thing“ genannt wird. Doch was ist „The Thing“ wirklich?
Autofahrer, die auf der Fernstraße Interstate-10 in Arizona unterwegs sind, werden sie irgendwo auf ihrer Strecke zwangsläufig bemerken: riesige Schilder, Hunderte an der Zahl, in bunter Comicschrift gehalten, die wahrscheinlich schon viele Reisende an den Rande eines Nervenzusammenbruchs getrieben haben. Denn sie alle bewerben etwas, das als „The Thing“ längst Legenden-Status genießt.
„Was ist es? Das Ding?“, fragen sie, bewerben das „Geheimnis der Wüste“ oder scheinen einen förmlich anzuschreien: „Es ist ein Wunder!“ Immer wieder wird man zudem aufgefordert, die Ausfahrt 322 zu nehmen, wenn man herausfinden möchte, was „The Thing“ denn nun eigentlich ist – und das laut „Vice“ über eine Strecke von fast 700 Kilometern.
„Was ist ‘The Thing?‘“, schreibt der Autor des Artikels. „Wenn man endlich die kleine Stadt Texas Canyon erreicht, die Heimat von ‘The Thing‘, wird einen diese Frage bereits in den Wahnsinn getrieben haben.“ Und das ist anscheinend genau der Effekt, auf den die Aussteller von „The Thing“ abzielen – laut der Webseite „Weird US“ kommen jeden Tag Hunderte von Besuchern, um endlich zu erfahren, was „The Thing“ wirklich ist.
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Ein 50 Jahre altes Phänomen
Ihre Fahrt führt Wahrheitssuchende zu einer Art Parkplatz, auf dem neben einer Tankstelle und einem Schnellimbiss, in dem man Burger und Eis kaufen kann, endlich die ersehnte Antwort zu liegen scheint: Ein riesiges gelbes Schild mit blauer Schrift bewirbt neben T-Shirts, Schmuck, Souvenirs und Geschenken auch ein Museum, in dem „The Thing“ ausgestellt wird – und das nun schon seit 1965.
Verantwortlich für das Phänomen, das Menschen nun schon seit mehr als 50 Jahren bewegt, sind laut einstimmigen Medienberichten zwei Männer: Der ehemalige Anwalt Thomas Binkley Prince und der Künstler Homer Tate. Binkley, müde seines Berufes als Vertreter des Rechts, eröffnete demnach laut „Daily Dot“ bereits in den 1950er Jahren ein erstes Kuriositätenkabinett, in dem er auch „The Thing“ ausstellte – welches er mutmaßlich zuvor Homer Tate abgekauft hatte, der seinerseits damals ebenfalls eine Ausstellung mit skurrilen, oft selbst geschaffenen Exponaten betrieb. Nach Binkleys Tod im Jahre 1969 betrieb seine Frau Janet die Attraktion noch einige Jahre weiter, bevor sie sie an eine Gesellschaft namens „Bowlin Travel Centers, Inc.“ verkaufte.
Betritt man die heiligen Hallen, in denen „The Thing“ ausgestellt wird, springen einem von überall „Thing“-Souvenirs förmlich entgegen: Mützen, Shot-Gläser, und Wasserflaschen mit „Thing“-Label. Will man nun weitergehen und seine Neugier befriedigen, muss man einen Dollar Eintritt bezahlen – sodann wird man durch eine Tür in das Innerste des Mysteriums eingelassen.
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Schrumpfköpfe und Hitlers Rolls Royce
Zuerst einmal aber muss man sich durch ein wahres Sammelsurium an Kuriositäten kämpfen, so zum Beispiel einen Rolls Royce, der angeblich einmal Adolf Hitler gehört haben soll. Riesige gelbe Fußspuren, auf den Boden gemalt, weisen einem derweil den Weg zu „The Thing“ und steigern die Spannung ins Atemlose.
Und dann steht man unvermittelt vor einer Art steinernen Vitrine, abgedeckt mit einer Glasplatte, darüber ein riesiges Schild, welches verspricht: „Hier ruht ‘The Thing‘“ – „Das Geheimnis der Wüste!“ – „Es ist ein Wunder!“ – „Was ist es?“. Wer nun aber verstehen will, was „The Thing“ eigentlich ist, der muss zuvor wissen, was für eine Art von Künstler der bereits erwähnte Homer Tate, der mutmaßliche Erschaffer von „The Thing“, eigentlich war.
Die Antwort: Tate baute laut „Weird US“ viele seiner Attraktionen wie den „Wolfsjungen“ oder falsche Schrumpfköpfe selbst aus Pappmaché, Menschenhaar und Überresten toter Tiere – und das scheinbar so gut, dass er sie via Katalog in die ganze Welt verkaufte. Einer seiner Kunden sei dann wohl Brinkley gewesen, der ihm „The Thing“ abkaufte und es fortan in seiner Sammlung ausstellte. Über die Jahre wurde „The Thing“ dann so berühmt-berüchtigt, dass es sogar in der Comic-Serie „Die Simpsons“ parodiert wurde (Staffel 3, Homer at the Bat/Der Wunderschläger).
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Internetsensation „The Thing“
Doch was nun ist „The Thing“, und warum ist es so legendär? Im Internet wird darüber heiß diskutiert. „Nun…das war mal was anderes“, schreibt zum Beispiel Twitter-Nutzer Ethan McGhee, zusammen mit dem Hashtag „#thethingarizona“.
Ein weiterer User kommentiert das Foto von „versace107“: „Ich war dort, und es war überhaupt nicht, was ich erwartet hatte.“
„versace107“ gibt dann aber mit einem der wenigen Fotos, die überhaupt davon im Netz kursieren, Antwort darauf, was „The Thing“ wirklich ist: Eine Art Mumie, vermutlich eben eine Nachbildung, erschaffen vom Künstler Homer Tate. Nicht mehr und nicht weniger. Doch warum der ganze Hype darum? Joey Keiton, Autor des Artikels über „The Thing“ auf „Daily Dot“, versucht das Phänomen zu erklären, indem er sinngemäß schreibt: „Zuerst denkt man vielleicht: Ich bin doch nicht dumm, ich stoppe nicht für so eine idiotische Touristenfalle. Aber dann fährt man vorbei, und man guckt rüber, denn man muss ja zumindest eine Idee davon bekommen, was sich denn nun stundenlang während der Fahrt im Kopf festgesetzt hat.“
Und so ist das eigentliche Phänomen wohl, dass „The Thing“ in Zeiten des Internets, in denen man sekundenschnell herausfinden kann, was es wirklich ist, immer noch so viele Besucher anzieht.