27. Oktober 2017, 13:50 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Bereits der Name klingt wie eine Zauberformel Schwarzer Magie: Chacachacare. Die kleine Insel nahe Trinidad und Tobago war bis vor 30 Jahren noch eine von Nonnen gegründete Leprakolonie. Heute ist sie gänzlich verlassen – abgesehen von den Geistern, die hier des Nachts herumwandeln sollen. TRAVELBOOK sprach mit einem Einheimischen über die Mythen, die im Netz über die Insel der Aussätzigen kursieren – und warum sich manche nur tagsüber dorthin trauen.
Als würden die starken Unterwasserströmungen, der raue Wellengang und das launische Wetter in der Bocas del Dragon (dt. „Mäuler des Drachen“) die Besucher warnen wollen: Denn hier, in der Meerenge zwischen Venezuela und dem karibischen Inselstaat Trinidad und Tobago, erhebt sich die hufeisenförmige Insel Chacachacare, von den „Trinis“ kurz Chaca genannt, und von der Internetgemeinde: die Insel der Aussätzigen, ein Ort des Grauens.
Die Geschichte Chacachacares beginnt im frühen 19. Jahrhundert. Damals wurde die abgelegene Insel unter spanischer Herrschaft zunächst für den Anbau von Wolle und Zimtäpfeln genutzt. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts diente sie dann unter britischen Kolonialisten als Walfangstation.
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Chacachacare war einst eine Leprakolonie
Etwa zur gleichen Zeit begann sich Lepra – eine Nervenkrankheit, bei der durch Entzündungen bestimmte Körperteile absterben können – zunehmend auf Trinidad und Tobago zu verbreiten. Die einzige Möglichkeit, die ansteckende Infektionskrankheit zu stoppen, sah die Regierung in der Quarantäne der Betroffenen, an einem Ort abseits der Zivilisation: auf der Karibikinsel Chacachacare.
Auf Staatsanordnung mussten die etwa 350 Einwohner – überwiegend Farmer und Fischer – die Insel bis 1921 verlassen. Für die Leitung der Leprakolonie wurden dominikanische Nonnen vom Orden Saint Catherine von Siena aus dem französischen Etrépagny entsandt. Die Unterkünfte fassten neben einem Krankenhaus, Speisesaal und Küche auch eine Kapelle, in der sich neben ihnen auch Priester um den religiösen Beistand der Aussätzigen kümmerten. Auf der kleinen Insel befanden sich sogar eine Wäscherei, ein Kino und ein kleines Kraftwerk.
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Bis heute ist Chacachacare verlassen
Im Zuge der modernen Medizin und Heilmittel wurde die isolierte Leprakolonie schließlich 1984 aufgegeben – und ist bis heute verlassen. Einzig der Leuchtturm auf den Klippen der Nordküste ist bewohnt. Wöchentlich tauschen verschiedene Wärter ihren Dienst und betreuen das Leuchtfeuer, erzählt Elton Pouchet. Er lebt in der Gegend und bietet als Besitzer von In Joy Tours Bootstouren nach Chacachacare an.
Nicht wenige Touristen werden von der Schönheit und dem Mysterium Chacachacares angezogen und nutzen die Bootstouren – etwa eine Stunde dauert die Fahrt vom Festland hierher – um die abgelegene Insel zu erkunden. Vor allem die La Tinta Bay im Südwesten der Insel wird von Urlaubern besucht. Von hier führt auch ein Wanderweg zum Leuchtturm.
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Kaum einer traut sich, über Nacht auf der Insel zu bleiben
Einheimischen dürfte man auf diesen Wanderungen nicht begegnen. Die Insel ist nach wie vor verlassen. Einzig die verfallenen Gebäude, die mittlerweile vom Urwald nahezu wieder verschlungen sind, zeugen vom früheren Leben auf der nicht mal 4 Quadratkilometer großen Insel.
Während die Tagestrips sehr beliebt sind, trauen sich jedoch nur wenige, über Nacht zu bleiben und in den alten Häusern der Leprakolonie zu campen, Hotels gibt es nicht. Doch warum fürchten sich so viele vor einer Nacht auf Chacachacare?
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„Man hört komische Geräusche in der Nacht“
Laut zahlreicher Interneteinträge sollen immer noch die Geister der Leprakranken und die der verstorbenen Nonnen auf der Insel umherspuken. So schreibt etwa ein Tripadvisor-Nutzer, der in einem der Häuser übernachtete: „Man hört komische Geräusche in der Nacht, die man dort in der Fauna nicht erwarten würde. Einer meiner Gruppenmitglieder hat sogar behauptet, Schritte gehört zu haben, als alle geschlafen haben.“ Ein anderer erzählt: „Du kannst die starke Präsenz fühlen, wenn du dort bist.“
Weitere Berichte in der Tripadvisor-Community schildern das paranormale Phänomen: Ursprung des Spuks sei der Geist einer jungen Nonne, die hier Selbstmord begangen habe. Sie soll in den verlassenen Gemäuern nachts ihr Unwesen treiben und mit einer Laterne im alten Kloster umherwandeln. Denn hier soll sie sich aufgrund einer Affäre mit einem Priester erhängt haben.
Dieses Gerücht kennt auch Pouchet: „Ja, sie soll dort Selbstmord begangen haben. Sie erscheint aber nur wenigen Menschen.“ Einmal habe er sogar selbst so etwas wie einen Menschen in einem der Gebäude gesehen. Als er jedoch näher kam, sei die Gestalt wieder verschwunden.
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Touranbieter profitieren von den Gruselgeschichten
Beklemmend sind jedoch nicht nur die verwüsteten, leerstehenden Häuser, der Friedhof und die Vorstellung, dass hier einst Leprakranke vollkommen von der Außenwelt abgeschottet lebten. Auch das plötzliche Verschwinden aller Bewohner Chacachacares, das Zurücklassen einer Geisterkolonie, sorgt für beklemmende Gefühle. So kann man laut eines Tripadvisor-Users heute sogar noch einen Blick in das Krankenhaustagebuch werfen, Einträge aus einer Zeit, als Lepra noch kein Thema war.
Fragt sich, ob man den geschilderten Erlebnissen im Netz glauben sollte – oder eher der Tatsache, dass durch den somit angeheizten Mythos nur noch mehr Leute hierher gelockt werden, zum Vorteil der Touranbieter.