29. August 2017, 17:27 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Der Libanon ist alles andere als ein typisches Reiseziel, doch unsere Autorin Angelique Geray wollte das Land trotzdem kennenlernen: allein als Frau, couchsurfend. Zehn Tage war sie im Libanon unterwegs, auf TRAVELBOOK berichtet sie über ihre Erfahrung.
von Angelique Geray
Im Landeanflug erahne ich die Schönheit des Landes. Es liegt zwischen Israel und Syrien, im Westen das herrliche Mittelmeer und ist halb so groß wie Hessen. In knapp vier Stunden fliege ich von Berlin-Schönefeld in den Libanon. In die Hauptstadt Beirut. Als ich aus dem Rafic Hariri Airport laufe, weht eine leichte Brise. Um 21 Uhr sind es noch 27 Grad. Stromkabel hängen tief zwischen den Häusern, an Palmen kleben Plakate von einem bärtigen Mann mit Brille: Hassan Nasrallah, Chef der Terrormiliz Hisbollah. Was weiß man eigentlich über den Libanon? Ich will herausfinden, wie er ist.
Libanons Hauptstadt Beirut
Ich steige in ein Taxi. Der Fahrer spricht kaum Englisch, aber perfekt Französisch und Arabisch. „Welcome to Lebanon“, sagt er. Er scheint nicht glauben zu können, dass ich alleine zehn Tage hier bin. Touristen gibt es ohnehin nicht mehr viele, was natürlich mit dem syrischen Bürgerkrieg zusammenhängt.
Streunende Hunde, keine Verkehrsregeln, die Geschäfte wirken verlassen. Wir fahren durch Vororte bis nach Gammeyzeh im Osten Beiruts. Irgendwann steige ich aus, ich will noch zu Fuß gehen.
Vor meiner Reise habe ich mich entschlossen, das Land via Couchsurfing zu entdecken. Viele Freunde reagierten mit Klischees und Fragen. Die meisten davon drehten sich um meine Sicherheit.
Als Frau alleine im Libanon
Um mich vorzubereiten, habe ich mir viele Reiseberichte durchgelesen, gerade von alleinreisenden Frauen. Vor dem Reisebeginn bin ich auch an libanesischen Restaurants vorbeigegangen um mich mit den Mitarbeitern zu unterhalten, ob sie Tipps haben, mir Orte empfehlen können oder Freunde haben, die mich an die Hand nehmen können – das hat mir wirklich geholfen.
Vor allem habe ich mich über die kulturellen Gepflogenheiten informiert und ganz speziell, was von Frauen erwartet wird. Wo brauche ich ein Kopftuch? Was für Klamotten nehme ich überhaupt mit? Gerade in ländlicheren Gegenden empfiehlt es sich, sehr unauffällig zu sein. Weite Blusen, keine kurzen Röcke. Dunkle Haare sind klar von Vorteil.
Das berühmte Nachtleben von Beirut
Mein Kontakt ist der Libanese Alain. Er holt mich an der Charles Helou Station ab, hier tobt das berühmte Nachtleben: Frauen stöckeln auf High-Heels und Mini-Kleidern über marode Straßen. Sie tragen kitschigen Schmuck, Kopftücher sehe ich kaum. Protzige Autos rasen auf und ab, arabische Musik dröhnt. Der 34-Jährige erzählt mir bei einer Wasserpfeife, dass Mar Mikhael und Gemmayzeh die Ausgeh-und Hipster-Viertel sind. Ich bin müde, will meinen Rucksack ablegen. Alain zeigt mir, wo ich schlafen kann: auf der Couch.
Gute Menschenkenntnis hilft
Die erste Nacht auf einer fremden Couch ist immer komisch, man weiß ja nicht, was einen erwartet, ist auch vom Flug erschöpft, und es ist meistens spät. Gute Menschenkenntnisse und ein sensibler Riecher für brenzlige Situationen helfen. Das gilt überall, auch im Libanon. Man sollte immer sicherstellen, wie man im Zweifelsfall schnell aus den Apartments kommt: Wo ist der Ausgang, wie ist die Tür verschlossen? Gibt es einen Zweitschlüssel? Wichtig war für mich, immer wenigstens ein bisschen Orientierung zu haben. Das gibt Sicherheit, auch wenn es nur fürs Gefühl ist. Über die „Couchsurfing“-App hatte ich vorher Kontakt zu Gastgebern aufgenommen.
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Am nächsten Morgen bekomme ich von Alain eine Stadtkarte, und er sagt, ich soll für eine Taxifahrt nicht mehr als 3000 libanesische Pfund zahlen, das sind ungefähr 2 Euro.
Nach dem National Museum halte ich einen Minibus an, springe rein (ja, springen). Die anderen Fahrgäste sind überfreundlich und winken, als ich aussteigen muss. Ich bedanke mich mit „shukran“, arabisch für Danke.
Fotografieren verboten!
Ich bewege mich etwas schreckhaft durch den zuckenden Verkehr. Von Männern mit Sturmgewehren umgeben zu sein fühlt sich eben befremdlich an. Ich laufe am Hafen entlang, ein Militärstützpunkt. Im gesamten Land passiert man etliche Checkpoints und Soldaten patrouillieren überall. Fotografieren ist verboten! Kontrast: In Straßencafés spielen Kinder, machen Seifenblasen. Ich esse eine Süßspeise aus Käse, Pistazien und Zucker, dazu gibt es arabischen Kaffee.
Nach 15 Jahren Bürgerkrieg (1975 bis 1990) wirkt das Viertel Downtown wie aus dem Boden gestampft. Dazwischen entdecke ich Häuser mit tiefen Einschusslöchern. Viele sind mit riesigen Werbeplakaten abgehängt. Ich laufe über den Platz der Märtyrer: Eine Moschee steht direkt neben einer Kirche. Das geht im Libanon!
Am Eingang zur Moschee bekomme einen Hijab (Kopftuch). Und: Schuhe aus! Ich schlurfe durch die Halle. Unter den glitzernden Kronleuchtern liegen Menschen und strecken alle Viere von sich, sind im Gebet versunken.
Das Dorf Byblos
Ich fahre nach Byblos, etwa 50 Minuten von Beirut entfernt. Ein malerisches Fischerdorf am Mittelmeer – der Libanon hat 225 Kilometer Küste – und hier bin ich mit Patrick verabredet. Er erzählt mir, dass er sich vor einigen Jahren ein altes Boot gekauft hat, um Touren anzubieten, aber leider sind es nicht viele Touristen, die sich hierher verirren.
Wir schippern in der Hitze mit seinem Kahn über das blau-grüne Wasser und werfen den Anker aus. Wir schwimmen auf einen Felsen im Meer, angeln Fische und fangen Krebse. Hier hat es niemand eilig.
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Tripoli
Tripoli ist die zweitgrößte Stadt im Libanon. Ich bin sofort in die traumhafte Promenade verliebt, die Gegend heißt Al-Mina. Ich treffe Oussama.
Diese Stadt ist ein Labyrinth! Wir tauchen ein, in die engen Gassen, Tunnel und die Torbögen, durch die man fast geduckt laufen muss. Kaffeeverkäufer und Seifenmacher sitzen gesellig zusammen und rauchen (eigentlich wird überall im Libanon geraucht). Der Souq (Markt) ist ein fantastischer Ort: Hammams, Koranschulen, Gewürze und handgemachte Dinge.
Fünf Kilometer außerhalb thront die Zitadelle. Von dort aus hat man einen großartigen Blick über die Stadt, für den sich jeder beschwerliche Schritt bergauf lohnt.
Ich sehe das triste Beton-Kuppeltheater von Oscar Niemeyer. Es steht zwischen Palmen und zerfällt, als ob man es einfach vergessen hätte. Als der Bürgerkrieg 1975 ausbrach, wurden die Arbeiten unterbrochen – und bis heute nicht fortgesetzt.
Baalbek
Die Bekaa-Ebene ist nur 20 Autominuten von Syrien entfernt, ich habe ein mulmiges Gefühl. Ich treffe Ali, er ist Student und sehr ambitioniert. Er zeigt mir die Ruinen von Baalbek. Der Bachhustempel ist außergewöhnlich gut erhalten, alles ist so unvorstellbar groß und alt – ein faszinierender Ort!
Es ist Ramadan, der Fastenmonat der Muslime. Nach Sonnenuntergang esse ich meistens mit den Familien. Oft gibt es Hähnchen mit Hummus und Tamboule (Salat), traditionelle Küche.
Der Verkehr ist eine Katastrophe!
Ich behaupte sogar, der Verkehr ist die größte Gefahr im Libanon: Jeder fährt, wie er will.
Verkehrsmittel im Libanon sind sehr billig, aber man darf keine Ansprüche haben. Die Minibusse, die einen von Beirut in den Rest des Landes bringen sind eigen: laute Musik, man sitzt zusammengepresst und es gibt keinen Fahrplan, denn der Bus fährt erst, wenn er voll ist. Manchmal brettern die ausrangierten Busse mit mehr als 160 Sachen über kaputte Straßen. Man muss sich gut festhalten, denn es gibt oft keine Türen.
Und: Hupen bedeutet „Hey, steig bei mir ein!“ oder „Geh aus dem Weg!“
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Mein Fazit nach 10 Tagen allein im Libanon
Ich habe auf meiner Reise Tipps bekommen, die man in keinem Reiseführer findet. Im besten Fall schreibt man einfach seinen eigenen Reiseführer mit den Geheimtipps der Einheimischen. Allerdings wäre es falsch, Couchsurfing für alle zu empfehlen – das ist ganz klar Typsache und bestimmt nicht für jeden (vor allem nicht für jede Frau) geeignet. Ich habe es ausprobiert und empfand es als unkompliziert. Die Menschen, bei denen ich zu Gast war, begegneten mir als alleinreisender Frau mit sehr viel Respekt, waren bemüht, mir die arabische Kultur zu zeigen. Manchmal fühlte ich mich sogar von ihrer Hilfe erschlagen. Es hat mir viele Türen zur Kultur geöffnet, und ich finde, es ist die ehrlichste Form, ein Land kennenzulernen. Ich begegnete den Einheimischen offen und neugierig, und das bekam ich zurück.