4. Oktober 2017, 12:07 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Katharine und David haben ein einmaliges Abenteuer gestartet: Gemeinsam wollten sie einmal durch Südamerika reisen. Zunächst mal nichts Besonderes, könnte man meinen. Dass die beiden aber zu Fuß unterwegs waren und die gesamte Strecke gerannt sind, hat ihre Reise zu einem außergewöhnlichen Abenteuer gemacht. Katharine erzählte TRAVELBOOK, warum sie und David das Projekt ins Leben gerufen haben und was sie unterwegs alles erlebten.
Die beiden Briten Katharine und David Lowrie (beide 39) haben eine Reise unternommen, die so manch einen Marathonläufer vor Neid, oder auch Ehrfurcht, erblassen lässt: Sie rannten durch Südamerika, einmal längst über den ganzen Kontinent, und das für einen guten Zweck. Dabei legten sie stolze 5000 Meilen, also knapp 8050 Kilometer, innerhalb von einem Jahr und drei Monaten zurück. Viele kleine Abenteuer, zahlreiche Tiere und freundliche Menschen kreuzten den Weg der beiden Läufer. Katharine hat TRAVELBOOK von der verrücktesten Reise ihres Lebens erzählt.
Für die Natur
Katharine, die als Ökologin arbeitet, hatte nicht nur aus beruflichen Gründen ein großes Interesse an der Tierwelt Südamerikas, auch privat faszinierte sie die außergewöhnliche Biodiversität des Kontinents. Und ihre Liebe zur Natur brachte sie auf eine einmalige Idee: Gemeinsam mit ihrem Mann, einem Unternehmensberater, wollte sie einmal durch Südamerika laufen und nebenbei Aufmerksamkeit für Probleme schaffen, die vielerorts kaum beachtet werden. Sie wollten Geld für den Naturschutz sammeln, Aufmerksamkeit für gefährdete Tierarten schaffen und andere Menschen dazu inspirieren, sich mehr mit der Natur auseinanderzusetzen.
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„Wir beide haben uns nach Abenteuern gesehnt und danach, etwas für die Natur zu tun“, verriet Katharine im Gespräch mit TRAVELBOOK. 2008 heirateten sie kurzerhand, kündigten ihre Jobs und segelten in Richtung Südamerika. Zunächst blieben sie eine Weile in der Karibik hängen und beschäftigten sich mit der Beobachtung von Seevögeln. Zwei Jahre später begann das Paar die Überfahrt nach Chile, wo es erstmals auf die Idee kamen, für die Natur einmal durch Südamerika zu laufen. „5000 Mile Project“ nannten Katharine und David ihr Vorhaben, und die Planung konnte beginnen. „Wir wollten rennen, über den gesamten Kontinent, mit und für die Tierwelt! Durch unsere Füße würden wir die Menschen dieser Welt mit der außergewöhnlichen Biodiversität Südamerikas verbinden“, schreibt Katharine in ihrem Buch über ihre Motivation für das Abenteuer.
Warum zu Fuß?
„Keine andere Art der Fortbewegung als das Laufen würde uns erlauben, zu der Stimmung des Landes und seinen Lebewesen durchzudringen. Nur einige Millimeter Schuhsohlen trennten uns von dem Herzschlag der Erde. Oft auch ganz ohne Schuhe bewegten wir uns leise, ganz heimlich, schleichend, ein Flüstern entfernt von einer Entdeckung, ein Schritt entfernt vom Unbekannten und Unerwarteten“, beschreibt Katharine ihr Abenteuer in dem Buch „Running South America – with my husband and other Animals“ („Rennen durch Südamerika – mit meinem Mann und anderen Tieren“). Der direkte Bezug zur Natur war ihr unglaublich wichtig. Denn das Einfache, das Naturverbundene, war es, was sie so begeisterte. Das, worauf sie aufmerksam machen wollte: Die Natur, das Leben fernab von spritbetriebenen Fahrzeugen, Atomkraft und Plastikverpackungen.
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Und genau das ist es auch, was sie am meisten mochte. „Ich liebe das Einfache daran – einen Fuß vor den anderen zu setzen, 20 bis 25 Meilen am Tag“, erklärt Katharine. „Jede Nacht das Zelt aufzuschlagen, Yoga unter einem außergewöhnlichen Sternenhimmel zu machen, über einem Feuer zu kochen… Das wunderschöne Outdoor-Leben, was so gut zu uns Menschen passt.“ Und auch den wilden Tieren, die Katharine so sehr faszinieren, kam sie näher als jemals zuvor: „Weil wir Tag und Nacht draußen verbrachten, haben wir eine unbeschreibliche Tierwelt entdeckt – unser Grund für den Lauf und unser Grund, immer weiterzumachen.“
Viel Planung und noch mehr Training
Wer 15 Monate aussteigen will, muss sich natürlich vorher überlegen, wie man sein Abenteuer finanziert. Dass die Lebenshaltungskosten in Südamerika nicht so hoch sind wie in Großbritannien und man zu Fuß und mit Zelt allgemein günstiger reist als mit Flugzeug und in Luxushotels, versteht sich von selbst. Doch auch 15 Monate in der Natur müssen finanziert werden. Neben eigenen Ersparnissen und kleineren Krediten wurde das Läufer-Paar durch Ausrüstungs-Sponsoren unterstützt. „Die Sponsoren halfen uns, indem wir so kaum etwas für die Ausrüstung ausgeben mussten.“
Über mehrere Monate planten Katharine und David ihre Reise. „Wir mussten herausfinden, welche Ausrüstung wir für welches Gebiet benötigen, wo wir die Sachen lagerten und wie viel Wasser und Nahrung wir tragen konnten.“
Auch das Training kam nicht zu kurz: Die knapp 15 Meter ihres Segelbootes, auf dem sie um Südamerika segelten, nutzte das sportliche Paar fleißig, um für ihr großes Abenteuer zu üben. „Wir rannten eine Runde nach der anderen auf dem Deck! Wenn es sich anbot, stoppten wir auf einer der vielen Inseln im Süden Chiles und übten dort“, führt Katharine aus.
Die Route durch Südamerika
Ursprünglich sollte die Reise vom Norden in den Süden verlaufen, doch aufgrund der Wahlen in der Venezuela beschloss das Paar, die Reise im Süden zu beginnen, am Kap Froward in Chile. „Das bedeutete aber auch, dass wir in einem Schneesturm im südlichen Winter starten würden. Wir mussten nackt durch drei eiskalte Flüsse schwimmen, nur um an den Startpunkt zu kommen. Ich hatte wirklich Angst, wir würden vor Erschöpfung sterben“, berichtet Katharine vom Beginn ihrer Reise.
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Im Süden Chiles angekommen startete die Reise in Richtung Norden. Von Chile aus ging es über Punta Arenas und Puerto Natales, bevor sie die argentinische Grenze nach El Chalten kreuzten, um dann wieder zurück nach Chile zu laufen. In Villa O’Higgins angekommen ging die Reise wieder nach Argentinien. Durch Bariloche und San Martín de los Andes bis nach San Miguel de Tucumán. Von dort ging es über die Grenze nach Bolivien und von dann weiter bis nach Brasilien, wo sich auch die Rua de Onces, also die Straße der Jaguar, die durch den Amazonas läuft, befindet. Als die Läufer Brasilien durchquert hatten, führte die Route über die venezuelische Grenze bis hin nach Carúpano, wo die Reise endete – quasi einmal längs durch Südamerika.
Neben der Nahrung mussten Klamotten, Kochutensilien und natürlich das Zelt samt Schlafsäcken transportiert werden. Um all das als Läufer tragen zu können, war das Paar mit einem Anhänger unterwegs, dessen Gewicht zwischen 70 und 100 kg schwankte. Alle fünf Kilometer wechselten sie sich mit dem Ziehen des schweren Gefährts ab. Nur für die Rua de Onces baute David einen zweiten Anhänger, auf dem sie weitere 100 kg an Lebensmitteln mitnehmen konnten. Denn vor ihnen lag eine Strecke von knapp 650 Kilometern ohne Supermärkte, Dörfer oder gar andere Menschen. Drei Wochen verbrachten sie vollkommen allein auf der Rue de Onces.
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Zudem gehörten Projektor und Laptop mit zum Gepäck, denn ihre Reise bestand nicht nur daraus, ziemlich viel zu laufen und auf Artenschutz aufmerksam zu machen, sondern auch darin, in Schulen zu gehen und von ihrem Projekt und dem Grund ihrer Reise zu erzählen. Sie wollten das Gefühl für die Tiere und die Natur schon in jungen Jahren wecken und darüber aufklären, wie man zu deren Schutz beitragen kann. Ihr Engagement zahlte sich aus – Organisationen wie Sculpt the Future Foundation oder Transglobe Expedition Trust unterstützten das Paar finanziell. Auf ihrer Website stellen Katharine und David zudem Bildungsmaterial für Grundschüler zur Verfügung.
Eine Reise voller Erlebnisse
Auf ihrer Reise erlebten die beiden Läufer so einige abenteuerliche Momente: In Patagonien, die Temperatur befand sich unter dem Gefrierpunkt, schlief das Paar in ihrem Zelt zwischen Eis und Schnee. Völlig ausgekühlt konnte David seine Hand plötzlich nicht von einem der Heringe des Zeltes lösen. Mit etwas Wärme löste sich das Problem glücklicherweise ohne schlimmere Folgen. Ein weiteres eher verrücktes Erlebnis hatten die zwei, als sie durch den Süden Chiles rannten: Über mehrere Tage hinweg trafen sie keine Menschenseele und trauten sich deshalb, ein Stück der Strecke ohne Kleidung vollkommen nackt zu rennen.
Wenn man so lange in der Natur unterwegs ist wie Katharine und David erlebt mal zahlreiche lustige und absurde, teils aber auch gefährliche Momente. In ihrem Buch „Running South America – with my Husband and other Animals“ beschreibt Katharine die verschiedensten abenteuerlichen Momente.
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Der schönste Moment und der liebste Ort
Einen Moment, den sie nie vergessen wird, erlebte Katharine, als sie auf einen Großen Ameisenbär traf. Sie beobachtete das gigantische Tier bei seinem Mittagsmahl, wie es unzählige kleine Ameisen mit seiner langen, klebrigen Zunge aß. „Atemberaubend“, beschrieb die Naturliebhaberin den Moment.
Ihr liebster Ort? „Ich denke das südliche Chile – wie wir auf der Schotterstraße durch die schneebedeckten Berge liefen, durch die gemäßigten Regenwälder und die eisblauen Gletscherfjorde in der Gesellschaft wunderschöner und äußerst seltener Vögel.“
Inzwischen sind seit ihrer abenteuerlichen Reise mehr als drei Jahre vergangen. Katharine und David genießen ihr Familienleben mit ihren zwei Kindern (3 und 1). Zwar ist ihre Reise zu Ende, ihr Projekt aber noch lange nicht. Wer mehr von Katharine, David und ihrem 5000-Mile-Project erfahren möchte, kann ihnen auf Twitter und Facebook folgen und auf ihrer Website mehr erfahren.