23. August 2017, 13:35 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Freigeist, ein bisschen Rebell, Aussteiger – für Typen wie Benedict gibt es viele Bezeichnungen. Die einen blicken von oben auf ihn hinab, andere sind beeindruckt von seinem Lebensweg: Er schläft in einem Zelt, reist mit dem Fahrrad und lebt dabei vom Nötigsten. TRAVELBOOK hat mit ihm über gesprochen und wollte wissen, wie es dazu kam, dass er sich für diesen Lebensweg entschieden hat.
Schon mit 16 Jahren arbeitete Benedict (37) im Sommer auf einem Fischerboot. Seine Winter verbrachte er im Werkzeugschuppen eines Freundes in Austin, Texas. Das ging jahrelang so, bis sich diese Routine 2008 änderte: Gerade frisch getrennt und mehrfach daran gescheitert, seinem Studium der Bewegungswissenschaft und Ernährung einen sinnvollen Beruf folgen zu lassen, beschloss Benedict, in die Welt hinauszuziehen und zu schauen, was ihn erwartet. „Ich muss gestehen, dass es erst ziemlich unheimlich war. Der Aha-Moment kam, als ich mich von den unnötigen gesellschaftlichen Normen befreite, die uns beherrschen. Erst als ich realisierte und akzeptierte, dass das Frau-Kinder-Haus-Auto-Konzept nicht für mich war, fühlte ich mich vollkommen frei“, erzählt der Amerikaner.
Seit 2008 arbeitet Benedict nur so viel, dass er genug ansparen kann, um dann wieder frei leben zu können. Dabei reduziert er seine Bedürfnisse auf ein Minimum: Er reist auf seinem Fahrrad, lebt in einem Zelt und ernährt sich teilweise davon, was die Natur zu bieten hat. Sein Fahrrad spielt für ihn dabei eine wesentliche Rolle: „Das Fahrrad ist, worum sich alles dreht.“
Als flexibles Transportmittel bringt es ihn an alle Orte. Er braucht kein Benzin, keine Straßen oder Mechaniker. Etwas Flickzeug und ein paar Schraubenzieher – und es kann eigentlich nichts schiefgehen, ob auf einer Landstraße oder mitten im Dschungel. Das Fahrrad verkörpert die Freiheit, die Benedict sich selbst geschaffen hat.
Inzwischen verdient er mit Fahrrädern auch etwas Geld: Das letzte Mal, dass er auf dem Fischerboot arbeitete, ist bereits zwei Jahre her. Seitdem hat er sich mit dem Verkauf von Reiseprodukten für Fahrräder selbstständig gemacht. Gemeinsam mit Sponsoren aus dem Rad-Bereich finanziert er sein Leben inzwischen, ohne auf die Arbeit auf dem Meer angewiesen zu sein.
Die liebsten Ziele
Die meisten Orte, die Benedict bereisen wollte, habe er bereits gesehen, verrät er TRAVELBOOK. Dabei zählen Neuseeland und Island zu seinen liebsten Ländern. Doch auch in Nordamerika befinden sich viele seiner Lieblingslandschaften: „Wenn du an einem Ort lebst, der so abwechslungsreich ist wie Nordamerika, musst du kaum in andere Länder reisen. Meine Lieblingsorte sind die Rocky Mountains und die High Deserts im Südwesten des Landes.“ Südamerika hat Benedict dagegen nicht ganz so sehr begeistert: „Südamerika fand ich auch ganz nett, aber der Dschungel verträgt sich nicht ganz so gut mit meinem Magen-Darm-Trakt.“
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Seine Reiserouten plant Benedict meist unterwegs. Er verbindet Offroad-Wege und sucht sich so seine Strecke. Irgendwo im Nichts seien die Wege schöner und die Natur wilder. „Die Offroad-Straßen sind unweigerlich beeindruckender, und das Wildcampen wird deutlich leichter“, so Benedict.
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Das verrückteste Erlebnis
Sein verrücktestes Erlebnis hatte Benedict in Neuseeland: Vor einigen Jahren war er mit einer Gruppe auf der Spitze eines Gletschergipfels, als das Wetter sich plötzlich wandelte und ein Sturm hereinbrach. Die Bedingungen änderten sich in kürzester Zeit drastisch. „Es gab keinen sicheren Weg mehr bergab, und wir hatten auch kein Essen mehr“, erzählt er TRAVELBOOK. „Es war absolut, dumm und ich wusste es eigentlich besser.“ Doch ein Shooting für ein Magazin lockte den abenteuerlustigen Amerikaner trotz wechselnden Wetters auf den Berg. Zum Glück gelang es dem Team, über ein Satellitentelefon Hilfe zu rufen, keine Seltenheit in Neuseeland, wie Benedict herausfand. „Anscheinend ist eine Helikopter-Rettung in Neuseeland wie eine Pizza-Bestellung.“
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Sein gefährlichstes Erlebnis hatte er aber in Kolumbien, als er über einen aktiven Vulkan gefahren ist. „Der Weg war geschlossen und von Rangern bewacht, aber wir haben ihn dennoch nachts genommen. Es waren 5000 Meter, und ich war dehydriert und hatte Durchfall“, erzählt er TRAVELBOOK. Abgeschlossen haben sie die Route nicht: Kurz bevor sie durch drei Meter giftige Asche durch mussten, beschlossen Benedict und seine Begleiter umzukehren. Wie viel Glück sie hatten und wie gefährlich der Trip war, realisierte Benedict einige Tage später, als der Vulkan tatsächlich ausbrach.
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Was ihn beim Reisen am glücklichsten macht
Zu Benedicts Lieblingsorten zählen die kanadischen Rocky Mountains und die Südlichen Alpen in Neuseeland. „Beide sehen sich recht ähnlich. Ich mag große Berge und die Straßen, die über sie hinweg führen.“ Auf die Frage, welche Momente er nie vergessen wird, antwortet Benedict: „Die Momente, die ich mit meiner Partnerin Nåm teile. Mit der Liebe meines Lebens zu reisen, ist ein wahr gewordener Traum.“
Was er an diesem Leben am meisten liebt? „Dass ich aufstehen kann, wenn ich das möchte. Durch einen Wecker wach zu werden, ist für mich der Inbegriff dafür, wie unnatürlich und verschoben unser Leben geworden ist. Den Tag damit zu starten, von einem schrillen piependen Geräusch wachgerüttelt zu werden, muss einfach einen zunehmend negativen Einfluss auf unsere Seele haben“, verrät er TRAVELBOOK.