12. September 2017, 12:10 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Normalerweise tobt in Freizeitparks das Leben, überall ist Kinderlachen zu hören, Jauchzen und Gekreische. Genau so muss es vor vielen Jahren auch im „Nara Dreamland“ im Süden Japans gewesen sein. Doch als die Besucher ausblieben, schloss der Vergnügungspark für immer seine Pforten. Heute überwuchern Pflanzen die Achterbahnen und Karussells.
Romain Veillon spazierte durch den Haupteingang, so, als wäre es ein ganz gewöhnlicher Tag in einem ganz gewöhnlichen Freizeitpark. Doch was der französische Fotograf hinter dem Tor, über dem die Buchstaben „Dreamland“ prangen, entdeckte, war alles andere als gewöhnlich. Vielmehr war es mysteriös, geheimnisvoll und auf eine gewisse Art auch trostlos: der stillgelegte und längst vergessene Freizeitpark „Nara Dreamland“ im Süden Japans.
1961 wurde der Vergnügungspark eröffnet, der mit seinem unverkennbaren, rosafarbenen Dornröschenschloss an den Freizeitpark-Riesen Disneyland erinnert. Grund für die Ähnlichkeit soll eine anfängliche Zusammenarbeit mit dem US-Unternehmen gewesen sein. Doch so viele Besucher über die Jahre hinweg auch ins Nara Dreamland strömten – mit der Eröffnung des immerhin 500 Kilometer entfernten Tokyo Disney Resorts in den 1980er-Jahren bekam der kleine Park einen großen Konkurrenten.
Zwei Jahrzehnte später folgten die Universal Studios in Osaka. Diesmal war der Gegenspieler nur rund 45 Kilometer entfernt – und bedeutete damit das Aus für Nara Dreamland. Die Besucher blieben aus, 2006 schloss der Park endgültig.
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Attraktionen von Pflanzen überwuchert
Was heute noch vom Park geblieben ist, und was Romain Veillon gelungen ist, in beeindruckenden Bildern festzuhalten, sind verlassene Fahrgeschäfte. Sie sind von Sträuchern und Bäumen überwuchert, von manchen blättern die bunten Farbschichten ab. Bodenpflanzen bahnen sich ihren Weg und umzingeln die Attraktionen förmlich. Auch gibt es da ein stillgelegtes Wasserbecken, in dem heute nur noch die Technik sowie eine Statue zu sehen sind.
„Es war ein außergewöhnliches Erlebnis, Nara Dreamland zu erkunden“, sagt Veillon im Gespräch mit TRAVELBOOK. Zwar hatte der Fotograf vorab Berichte über den geheimnisvollen Ort gesehen, doch die Pflanzen, die hier immer mehr Überhand nehmen und den Park verwildern, „machen ihn zu einem anderen Ort“, so Veillon. Die Atmosphäre beschreibt er als seltsam, traurig und friedlich zugleich.
Die Hauptattraktion, die Holzachterbahn Aska, hat es Veillon bei seinem Besuch ganz besonders angetan. Es wirke fast so, als würden die Pflanzen sie langsam verschlingen, erinnert sich der Fotograf.
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»Man will Kinder kreischen hören
Wie in allen Freizeitparks gab es auch im Nara Dreamland kleine Einkaufsstraßen mit Geschäften links und rechts. Doch obwohl die Häuschen selbst noch stehen und auch die Schilder verraten, was hier einst untergebracht war, zieht längst kein Geruch mehr von Essen durch die Gasse, keine Verkaufsständer stehen mehr am Wegesrand, keine Menschen kommen mehr mit Tüten gefüllt mit Souvenirs aus den Shops.
„Wenn man an all die schönen Erinnerungen denkt, die hier entstanden sind, ist man voll Sehnsucht und denkt an die Zeit, in der der Park mit Menschen und Freude gefüllt war“, sagt Veillon im Gespräch mit TRAVELBOOK. „Du willst die Kinder kreischen hören und wieder Spaß haben!“
Wie es Veillon auf das Gelände schaffte
Dass Veillon den Ort, den er selbst als „Wunder“ bezeichnet, so einfach begehen konnte, hat er seiner Meinung nach einer einfachen Tatsache zu verdanken: „Es war ein friedlicher Tag, niemand hat mir gesagt, dass ich verschwinden soll“, so der Fotograf. Laut der Webseite „atlasobscura.com“ gibt es – neben einem glücklichen Zufall – verschiedene Möglichkeiten, in den Park zu gelangen. Der beste Eingang sei der im Südosten des Parks nahe der Wasserrutschen. Dort soll es keine Sicherheitskräfte mehr geben.
Doch Veillon warnt davor, den Park einfach so zu betreten: „Ich bin mir ziemlich sicher, dass es immer noch verboten ist.“ Und weiter: „Es ist sehr gefährlich, den Ort an manchen Stellen zu begehen.“ Insbesondere die Achterbahn soll schwer zugänglich sein. Romain, der schon viele sogenannte „Lost Places“ fotografiert hat und sich häufig illegal Zutritt verschaffen muss, sagt: „Ich glaube, man muss einfach Glück haben.“
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Zukunft der Anlage ungewiss
Was mit der Anlage passieren soll, ist laut Veillon ungewiss. Der Park soll erst 2015 von einem anderen Unternehmen aufgekauft worden sein, doch bis dato wurde er weder abgerissen noch wiedereröffnet. „Niemand kennt bislang die Pläne für die Zukunft“, sagt Veillon. Bis dahin entscheidet wohl weiter die Natur über das weitere Schicksal des Parks.
Weitere Geisterorte findet man in Romain Veillons Buch „Ask the Dust“ sowie auf seinem Instagram-Account.