12. April 2018, 11:01 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Wie in vielen Gebieten Mexikos ist auch in Cancún und der Riviera Maya Kriminalität leider an der Tagesordnung. Überall gibt es verschiedene kriminelle Drogenbanden, die mittlerweile nicht mal mehr Halt machen vor beliebten Touristen-Hochburgen. Wie sicher ist Cancún noch? TRAVELBOOK fragte nach bei einem Reisesicherheitsexperten.
Müssen Sie unbedingt Urlaub in Cancún machen? Wenn ja, dann sollten Sie diesen auf jeden Fall besonders gründlich planen – Grund: die gefährliche Sicherheitslage.
Die Touristenhochburg auf der Halbinsel Yucatán in Mexiko galt lange als verhältnismäßig sicher, wird nun aber immer häufiger von gewaltvollen Auseinandersetzungen und Mordserien der Drogenkartelle erschüttert: Anfang April 2018 wurden innerhalb von nur 36 Stunden 14 Menschen an verschiedenen Orten der Stadt erschossen: Laut den mexikanischen Zeitungen „Noticaribe“ und „El Financiero“ sind alle Morde der Bandenkriminalität zuzurechnen. Normalerweise finden solch schreckliche Taten abseits der Touristenorte statt, dieses mal wurden sie aber in unmittelbarer Nähe von Hostels und Hotels verübt.
„Weitere Vorfälle sind nicht auszuschließen“
Im südlich von Cancún gelegenen Urlaubsort Playa del Carmen sollten Urlauber laut des Auswärtigen Amts (AA) ebenfalls besonders wachsam sein. Im Februar 2018 waren 20 Menschen, auch Touristen, verletzt worden, als es auf einer Fähre zwischen der Insel Cozumel und Playa del Carmen zu einer Explosion kam. „Am 1. März 2018 konnten Behörden eine weitere Explosion auf einer anderen Fähre desselben Unternehmens und auf der gleichen Route verhindern, Untersuchungen zu den Vorfällen dauern an“, heißt es auf der Website des AA weiter. „Weitere Vorfälle im Raum Playa del Carmen sind nicht auszuschließen. Reisende sollten daher besonders vorsichtig sein und den Anweisungen lokaler Behörden und Reiseleitern Folge leisten.“
Seien Sie achtsam!
TRAVELBOOK fragte nach, beim Reisesicherheitsexperten Sven Leidel: Wie gefährlich ist Cancún für Urlauber? Der Buch-Autor („Handbuch Reisesicherheit“): „Nach wie vor kann man Cancún mit einigen Risiken in Verbindung bringen.“ Dazu zählt er: Kleinkriminalität (Taschendiebstahl, Betrugsmaschen beim Geldwechseln), Organisierte Kriminalität (Raubüberfälle), Kollateralschäden durch Gewalt und Zwischenfälle in Verbindung mit Drogenkartellen; zuletzt auch vermehrt im Zentrum Cancúns, Entführungsrisiko (auch Express-Kidnappings) – in der Regel seien allerdings eher Einheimische betroffen, weniger Touristen.
Was rät Leidel? „Besucher in der Touristenzone von Cancún sollten an den Stränden oder an anderen touristischen Orten grundlegende Vorsichtsmaßnahmen treffen. Z.B. nicht alleine an den lokalen Stränden spazieren gehen, vor allem nicht nachts“, sagt er. Gängige Sicherheitsmaßnahmen, die im übrigen für viele mexikanische Städte gelten, sind:
– Nicht alleine in der Nacht zu Fuß gehen.
– Dunkle Gassen, Seitenstraßen und unbeleuchtete Bereiche meiden.
– Alle Eingänge zu Hotelzimmern und Fahrzeugen sichern/verschließen bzw. verschlossen halten.
– Offenes zur Schau stellen von Schmuck, Geld oder Ähnlichem vermeiden.
– Auf den Märkten der Stadt wachsam bleiben.
– Nur Getränke aus verschlossenen Flaschen und kein Leitungswasser trinken sowie auf Eiswürfel verzichten.
Leidel weiter: „Reisende sollten nur die vom Hotel empfohlenen Funktaxi-Dienste nutzen und alle anderen Taxis meiden. Wenn Sie in einem Hotel übernachten, sollten Sie die Zimmer im Erdgeschoss und im Obergeschoss meiden, da sie für Diebe leichter zugänglich sind. Reisende sollten die Tür zu ihrem Zimmer nicht öffnen, bevor sie den Besucher identifiziert haben.“
Rückblick – was passierte 2017?
Schon das Jahr 2017 begann blutig an der sogenannten Riviera Maya, einer der beliebtesten Regionen in Mexiko bei Touristen: Bei einer Schießerei in Playa del Carmen, nur 70 Kilometer von der Urlauberhochburg Cancún entfernt, wurden damals im Januar fünf Menschen getötet. Und sie waren nur die ersten von insgesamt 169 Opfern, die laut der Zeitung „La Nacion“ allein in den ersten sechs Monaten im Bundesstaat Quintana Roo, zu dem auch Cancún gehört, ihr Leben ließen – das sind mehr als drei Mal so viele wie im selben Zeitraum 2016.
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Schuld daran war und ist der gnadenlose Drogenkrieg, der in Mexiko seit Jahren von diversen Kartellen ausgefochten wird – denn die Riviera Maya ist eine der Hauptrouten, auf der Drogen über Südamerika in die USA geschmuggelt werden. Die Verhaftung des mächtigen Drogenbosses „El Chapo“ Guzmán hatte darüber hinaus in der Region ein Machtvakuum geschaffen, dass verschiedene Banden mit äußerster Brutalität zu füllen versuchten. Der Kartell-Experte Ricardo Ravelo, Autor mehrerer Bücher zu dem Thema, sagte dazu der „BBC“: „In Cancún spürt man deutlich den Kampf um einen Drogenmarkt, der immer erfolgreicher wird.“
Schutz von der Politik
Auch sei in dieser Gegend der Konsum von Marihuana und Kokain deutlich höher als im Rest des Landes – was natürlich wohl auch an den unzähligen Party-Touristen aus aller Welt liegt, die genau deshalb nach Cancún und an die Riviera Maya kommen. Die einflussreichsten Gruppen in der Gegend seien das Sinaloa- und das Golfkartell, Los Zetas sowie Jalisco Nueva Generación. Der Krieg würde laut „BBC“ zudem befeuert von Drogensöldnern, die für mehrere Organisationen gleichzeitig arbeiteten und so in dem ohnehin schon unübersichtlichen sinnlosen Morden noch mehr Chaos anrichteten. Wie auch in anderen Gegenden des Landes seien die Angehörigen solcher Terrorgruppen nicht selten ehemalige Polizisten oder Soldaten.
„Cancún war schon immer eine nützliche Region für das Organisierte Verbrechen“, sagte Ravelo. Neben mexikanischen Kartellen mischten sogar Russen, Chinesen und Südamerikaner in dem lukrativen „Geschäft“ mit. Zudem seien die Gangster nicht selten durch Bestechung mit der Regierung verbandelt: „Das sind Bürgermeister, Stadträte, Verwaltungsbeamte, von der Polizei gar nicht zu sprechen. Sie schützen die kriminellen Gruppen.“ Der regierende Minister in Quintana Roo, Carlos Joaquín González, hatte der organisierten Kriminalität den Kampf angesagt, und sah darin laut „BBC“ den Grund für die neue Gewaltwelle in Cancún: „Die Gangster waren daran gewöhnt, dass ihre Untaten nicht nur nicht bestraft, sondern gar toleriert wurden.“
Sicherheitskräfte stark aufgestockt
Im „Paradisus Hotel“ in Cancún, einem der besten Etablissements am Ort, gab man sich dennoch nicht beunruhigt: „Gewalt und Probleme gibt es doch überall“, sagte ein Hotel-Sprecher zu TRAVELBOOK. „Man sollte deshalb aber keine Angst haben, denn Cancún ist immer noch ein schönes Reiseziel. Die Menschen hier leben doch auch vom Tourismus – das letzte was sie wollen, ist, dass die Touristen Angst haben, herzukommen.“
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Laut „Huffington Post“ sei der Tourismus trotz der Gewaltwelle in der gesamten Region damals aber dennoch um einige Prozentpunkte gestiegen – die Seite zitierte zudem das spanische Außenministerium, dass in seinen Reisehinweisen für Mexiko unter anderem schrieb: „Bis jetzt zeigen sich in den wichtigsten touristischen Zonen des Landes keine Probleme die Sicherheit betreffend, dennoch sollten Urlauber in den touristischen Zonen verbleiben und elementare Regeln der Vorsicht einhalten.“ Die Seite berichtete außerdem davon, dass in Cancún, genau wie in anderen touristischen Regionen Mexikos, das Aufgebot an Polizei und anderen Sicherheitskräften zumindest zeitweise stark aufgestockt worden war.
„Zur falschen Zeit am falschen Ort“
Leidel sprach 2017 schon von „drei Hauptrisiken“, die mit Cancún verbunden sind: „Einfache bzw. auch organisierte Kriminalität. Mit den Drogenkartellen verbundene Gewalt und Zwischenfälle, speziell auch in der Yucatan Peninsula. Latentes Entführungsrisiko, wenngleich hauptsächlich ‚Locals‘ betroffen sind und nicht wirklich Touristen.“
Leidel sagte damals: „Die einfache Kriminalität ist vielmehr geprägt von Taschendiebstählen und sonstigen Betrugsmaschen, wie in fast allen typischen Touristendestinationen. Nichtsdestotrotz besteht gerade in den Abend- bzw. Nachtstunden und außerhalb der Hotels und Resorts ein erhöhtes Risiko für Touristen. Dieses kann dann auch im Einzelfall durchaus Überfälle, gewalttätige Übergriffe und sogar Vergewaltigungen zur Folge haben. Normalerweise ist die Polizei gerade in den Abend- bzw. Nachtstunden verstärkt präsent, zum Schutz der Touristen. Leider ist es in der Vergangenheit schon häufiger vorgekommen, dass Passanten und Touristen zur falschen Zeit am falschen Ort waren und sich mitten in einem gewalttätigen Konflikt zweier rivalisierender Drogenkartelle wiedergefunden haben.“
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Situation nicht als bedrohlich empfohlen
Davon berichtete auch Elisa Schlögl – als sie mit drei Freundinnen in Tulúm war, fanden sie den „an sich sehr schönen Strand “ gesichert von zahlreichen schwer bewaffneten Polizisten. Diese hätten außerhalb der Sichtweite der Touristen wohl die Zone gesichert: „Wir hörten dann, dass in der Stadt selbst wohl gerade Kämpfe zwischen Drogenbande statt fanden. Uns selbst ist aber nicht passiert, und wir haben uns auch nicht unsicher gefühlt.“ Ihr Host habe ihnen dann aber erzählt, dass er Tulúm bald verlassen wolle, da es ihm hier zu unsicher geworden sei.
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Auch in Cancún erlebte Elisa die Situation nicht als bedrohlich: „Gleich der erste Taxifahrer hat uns Gras und Kokain angeboten, und generell waren sie sehr aufdringlich – wir haben dann einfach immer Uber benutzt, weil wir hörten, dass das sicherer sei.“ Sie war schockiert, als sie von der Gewaltwelle in Cancún erfuhr. „Man macht sich ja da keine Gedanken – die Leute waren alle zufrieden, die Restaurants gut und die Strände wunderschön.“ Dass sie trotzdem nicht mehr an die Riviera Maya fahren muss, hat einen anderen Grund – es war ihr und ihren Freundinnen hier schlicht zu voll.