28. September 2018, 11:03 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Acapulco – das war einst ein Urlauberpradies, der Ort für den Jetset. Ein Ziel wie St. Tropez, Capri, Mykonos, nur eben in Mexiko. Doch wo sich früher Prominente, Reiche, Schöne trafen, herrscht heute Krieg. Acapulco hat mittlerweile eine der höchsten Mordraten der Welt. Ist ein Urlaub dort überhaupt noch möglich?
Während einer Mexiko-Reise im Jahr 2006 wollte ich unbedingt auch nach Acapulco reisen, diese Stadt, deren Schönheit sogar in Liedern besungen und in Filmen verewigt worden ist – die Perle am Pazifik mit den Puderzuckerstränden, den weltberühmten todesmutigen Klippenspringern und den scheinbar endlosen Partynächten. Die Stadt war dann auch tatsächlich sehr schön, nur leider hatte ich bereits am zweiten Tag meines Aufenthalts plötzlich ein Messer an der Kehle, wurde verprügelt und all meiner Wertsachen beraubt. Heute muss man traurig feststellen, dass dieses Erlebnis in einem ansonsten eigentlich wunderbaren Urlaub leider kein Einzelfall war – im Gegenteil. In einem Ranking von 2017 landete Acapulco auf Platz 3 der gefährlichsten Städte der Welt.
Acapulco ist in einem Land, das von Drogenkartellen beherrscht wird, die Hauptstadt des Todes geworden. Nach Los Cabos weist die Metropole die höchste Mordrate Mexikos auf: Im Jahr 2017 kamen 106,63 Tötungsdelikte auf 100.000 Einwohner. Und das Morden in Acapulco hört nicht auf. Erschreckend ist nicht nur das, sondern auch die Art und Weise der Morde: Nicht wenige Opfer werden am helllichten Tag auf offener Straße oder sogar am Strand getötet – in einem Fall flüchtete ein Killer nach seiner Tat mit einem Jet-Ski. Allein im Bundesstaat Guerrero, in dem Acapulco liegt, gab es 2017 laut „Diario Las Americas“ 2529 Morde.
Mexikanisches Militär übernimmt Kontrolle über Polizei in Acapulco
Auch auf die Polizei kann man nicht vertrauen. Sie gilt als von Drogenkartellen infiltriert. Auch mutmaßlich deswegen hatte das mexikanische Militär Ende September in einer spektakulären Aktion die Kontrolle über die Polizei in Acapulco übernommen. Bodentruppen stürmten laut mehrerer Medienberichte mit Unterstützung aus der Luft das Polizeihauptquartier und nahmen drei ranghohe Beamte fest. Grund für die Aktion sei „ein Anstieg der Verbrechensrate und das totale Versagen der Polizei“ bei der Bekämpfung des Problems gewesen, sagte ein Sprecher der Behörde für öffentliche Sicherheit des Bundesstaats Guerrero.
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„Es gibt fast kein Nachtleben mehr“
„Abends ist Acapulco nicht mehr, was es einmal war. Es gibt fast kein Nachtleben mehr“, sagt die Geschäftsfrau Laura Caballero Rodríguez der Deutschen Presse-Agentur. „Die Leute, die hier leben oder von außerhalb kommen, haben Angst, auszugehen.“ Doch ohnehin kommen immer weniger von außerhalb. Caballero Rodríguez: „Wir haben nicht mehr dieselbe Menge ausländischer Touristen, und der Kampf der Regierungen gegen die Gewalt hat bislang keine Resultate gebracht.“ Laut der Seite „Entorno Turistico“ müssten Bars und Restaurants wegen der Gewaltwelle aktuell bereits um 20 Uhr schließen, was einen zusätzlichen ökonomischen Verlust bedeutet. Das Auswärtige Amt warnt in seinen Reise- und Sicherheitshinweisen für Mexiko explizit weibliche Touristen: „Gewalt gegen Frauen hat nicht zuletzt in den Touristenregionen zugenommen. Frauen sollten daher insbesondere nachts und in einsamen Gebieten nicht allein unterwegs sein.“
Acapulco ist abhängig vom Tourismus
Von den 17 Geschäften, die Caballero Rodríguez früher auf der Küstenstraße Miguel Alemán, der wichtigsten Straße der Stadt, besaß, ist ihr kein einziges geblieben. Sie alle fielen der Erpressung und anderen Aktivitäten krimineller Gruppen zum Opfer.
Seit 2007 nimmt die Gewalt in Acapulco zu, 2012 explodierte sie, und Angst und Unsicherheit bedrohen heute das Leben und den Tourismus, der noch immer die wichtigste Einnahmequelle ist. Hauptsächlich sind es mexikanische Touristen, die hier urlauben. Doch auch die halten sich nach neuen Gewaltausbrüchen fern. Und je weniger Urlauber kommen, desto größer werden die sozialen Probleme – was wiederum zu mehr Kriminalität und Gewalt führt. Ein Teufelskreis.
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Rund 50 Banden sind für die Gewalt verantwortlich
Angefangen hat alles mit einem Krieg zwischen den Drogenkartellen, die um das lukrative Geschäft mit den Betäubungsmitteln kämpften: Acapulco, rund 400 Kilometer südlich von Mexiko-Stadt, ist aufgrund seiner Lage einer der Knotenpunkte für den Schmuggel von Kokain und Heroin. Zudem haben sich immer mehr Verbrechergruppen gebildet, die mit Entführungen und der Erpressung von Unternehmern ihr Geld verdienen. Die mächtigsten Kartelle in Guerrero sind laut der Seite „Univision“ La Familia Michoacana, Beltrán Levya und Jalisco Nueva Generación.
„Rund 50 Verbrecherbanden haben die Gewalt in Acapulco wieder aufleben lassen“, sagt der Staatsanwalt von Guerrero, Xavier Olea Peláez. Laut der Justizbehörde des Bundesstaates, in dem Acapulco liegt, befinden sich Gruppierungen wie La Barredora oder das Kartell CIDA in einem Dauerstreit über das Touristenviertel der Küstenstadt.
„Das Hauptproblem der Unternehmer und Geschäftsleute ist, dass eine Bande kommt und Geld für die Nutzung der Räumlichkeiten fordert, und kurz darauf kommt eine andere und fordert nochmal dasselbe. Wenn du nicht zahlst, töten sie dich“, erklärt Geschäftsfrau Caballero Rodríguez. Viele zahlen mehrfach Schutzgeld – doch Schutz garantiert niemand.
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Acapulco ist die neue Ciudad Juárez
„Das Problem sind die Gewalt und ihre Ursachen“, sagt Bürgermeister Evodio Velázquez. Nur eine umfassende Strategie könne der Stadt helfen, glaubt er. Staatliche und private Initiativen müssten zusammenarbeiten, um die örtliche Wirtschaft zu reaktivieren, das soziale Gefüge zu heilen und Infrastrukturprojekte auf den Weg zu bringen. Ein Plan, der in Anbetracht von Korruption und Bedrohungen von Medien und Beamten nur schwer umzusetzen ist. Und selbst Velázquez steht laut der Webzeitung „La Jornada“ aktuell unter dem Verdacht, keine ganz saubere Weste zu haben. Der Vorwurf: Er soll öffentliche Gelder veruntreut haben.
Mittlerweile ist Acapulco so etwas wie die neue Ciudad Juárez, die von 2008 bis 2010 als gefährlichste Stadt Mexikos galt. Ein umfassender Plan half damals, die Situation in der Stadt an der Grenze zu den USA etwas abzumildern. „Acapulco muss eine ähnliche Lösung suchen“, sagt Velázquez.
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Behörden setzen mehr Polizisten ein
Allein im Zeitraum von Januar bis Juni 2016 haben die Behörden die Sicherheitskräfte mindestens dreimal verstärkt. In der damaligen Ostersaison kamen 13.000 Soldaten und Marine-Infanteristen hinzu. Laut Angaben aus Sicherheitskreisen sind derzeit mehrere tausend Beamte der Bundespolizei im Einsatz, um den Hafen zu schützen. Weitere Beamte der städtischen und staatlichen Polizei sowie Armeetruppen bewachen die Schulen.
Nicht immer ist Polizei Freund und Helfer, denn deren Gehälter sind in Mexiko derart niedrig, dass die Beamten nicht selten sogar mit Gangstern gemeinsame Sache machen, wie auch das Auswärtige Amt warnt: „Polizeikräfte oder uniformiertes Sicherheitspersonal bzw. Kriminelle, die sich als solche ausgeben, können grundsätzlich an Straftaten beteiligt sein.“ Das Chaos wird dadurch komplettiert, dass in Acapulco genau wie in vielen anderen mexikanischen Städten mittlerweile bewaffnete Bürgerwehren patrouillieren, die das Recht auf den Straßen in ihre eigenen Hände genommen haben, weil sie sich durch die offiziellen Sicherheitskräfte nicht ausreichend geschützt fühlen.
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Gewalt in Mittelamerika: So sollten sich Reisende verhalten
Die Gewaltkriminalität in Mittelamerika ist generell sehr hoch. Länder wie El Salvador, wo die als Maras bekannte Jugendbanden agieren, haben die höchsten Mordraten der Welt. Der Einsatz von Schusswaffen ist bei Überfällen zwischen Mexiko und Panama weit verbreitet, zeigen die Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes. Im Bezug auf den Bundesstaat Guerrero heißt es ganz konkret: „Die Gewalt erstreckt sich von Raubüberfällen über Entführungen bis hin zu Tötungsdelikten. In vielen Regionen kommt es zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen staatlichen Sicherheitskräften und der organisierten Kriminalität.“ Weiter warnt das Auswärtige Amt: „Betroffen sind insbesondere Großstädte wie … Acapulco.“
Doch nicht nur Acapulco befindet sich im Abwärtsstrudel: „Besonders ausgeprägt ist die Gewalt in den nördlichen und westlichen Bundesstaaten entlang der Pazifikküste, sowie in den Großstädten wie Tijuana, Ciudad Juárez, Reynosa, Matamoros, Tampico, Guadalajara, Acapulco und Torreón. Auch in den an Mexiko-Stadt angrenzenden Gemeinden des Estado de México nimmt die Zahl der Gewaltdelikte weiter zu.“
Touristen, die dennoch Acapulco besuchen möchten, müssen daher besonders umsichtig sein. Sie sollten sich nur in sicheren Stadtteilen aufhalten, keinen Schmuck und andere Wertsachen mit sich tragen, ihre Dokumente im Hotelsafe aufbewahren und nur lizenzierte Taxis benutzen.
Kommt es dennoch zu einem Überfall, sollten Reisende unter gar keinen Umständen Widerstand leisten. Denn die Räuber machen oft schon bei kleinsten Anlässen von ihrer Waffe Gebrauch, warnt das Auswärtige Amt.